von der Leyen gegen Zypries: Zoff um Webblockade für Kinderpornos
Familienministerin von der Leyen will Seiten mit Kinderpornografie im Internet sperren lassen. Justizministerin Zypries hingegen hat verfassungsrechtliche Bedenken.

BERLIN dpa/taz Die beste Lösung zur Sperrung von Kinderpornoseiten im Internet bleibt zwischen den beiden Ministerinnen umstritten. Nach Ansicht von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) ist eine wirksame Zugangsblockade ohne gesetzliche Grundlage nicht machbar. Dagegen setzt Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf eine Vertragslösung zwischen Bundeskriminalamt und Internetanbietern. Sie kündigte am Wochenende an, bereits in dieser Woche entsprechende Vereinbarungen schließen zu wollen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich indirekt für eine Sperre aus. "Einfach nur mit der Freiheit des Internets zu argumentieren, wird uns letztlich auch nicht weiterhelfen", sagte Merkel im Deutschlandfunk im Zusammenhang mit dem Amoklauf von Winnenden. "Ich gehöre, ehrlich gesagt, zu denen, die immer wieder überlegen: Kann man nicht doch etwas tun?"
Familienministerin von der Leyen will nach dem Vorbild Norwegens Seiten, die sexuelle Straftaten an Kindern zeigen, blockieren lassen. Beim Anklicken soll ein Stoppschild erscheinen. Damit könnten in Deutschland täglich 300.000 bis 400.000 Zugriffe auf solche Internetseiten verhindert werden, schätzt von der Leyen. "Wir verhandeln derzeit mit den acht großen Zugangsanbietern. Einzelne Verträge sind bereits unterschriftsreif", sagte sie der Hannoverschen Neuen Presse. Mitte Februar hatte die Familien- und Jugendministerin noch damit gerechnet, dass die verbindlichen Abmachungen schon vor Mitte März unterschrieben wären.
Justizministerin Zypries schrieb von der Leyen, sie könne deren Pläne für Sperrverträge zwischen Internetprovidern und dem Bundeskriminalamt nicht mittragen. In dem fünfseitigen Schreiben machte sie vor allem "erhebliche verfassungsrechtliche Risiken" geltend. Zypries sieht das Fernmeldegeheimnis in Gefahr, da "jeder einzelne Datenstrom" überprüft und damit Daten der Internetnutzer registriert werden müssten. "Sperrmaßnahmen im Internet, egal zu welchem noch so berechtigten Zweck, betreffen Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger." Ohne eine klare gesetzliche Grundlage seien sie nicht akzeptabel. Zypries schrieb weiter, nach ihrer Kenntnis werde gegen kinderpornografische Seiten auf deutschen Servern bereits heute erfolgreich vorgegangen. Von der Leyens Pläne zielten wohl auf Angebote aus dem Ausland.
Auch Fachleute haben in den vergangenen Monaten die rechtliche und technische Machbarkeit solcher Sperrmaßnahmen bezweifelt. Bei einer Bundestagsanhörung hatten Experten der Internetwirtschaft Mitte Februar von der Leyens Vorhaben als weitgehend wirkungslos beurteilt.
Der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Georg Ehrmann, forderte die beiden Ministerinnen hingegen auf, "sich unverzüglich an einen Tisch zu setzen, um die in anderen Ländern bewährte Praxis der Sperrung von Internetseiten endlich zeitnah umzusetzen".
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?