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Archiv-Artikel

visa-affäre Patt bei Fakten und Bewertungen

Endlich Klarheit: Zumindest dieser Wunsch dürfte die Kontrahenten und Zuschauer des Visa-Untersuchungsausschusses einen. Die Opposition will Außenminister Fischer knallhart überführen; umgekehrt möchten ihn die Regierungsparteien vollständig entlasten. Und die Bürger wüssten gern: Wie groß war der Skandal?

KOMMENTARVON ULRIKE HERRMANN

Doch klare Antworten dürfte es so schnell nicht geben – dies scheint sich nach knapp zwei Monaten Untersuchungsausschuss abzuzeichnen. Es herrscht ein doppeltes Patt: bei den Fakten und bei der politischen Bewertung.

Im Reich der Fakten ist zwar weitgehend unbestritten, dass es zahlreiche Warnungen des Bundeskriminalamts gab, dass die Botschaft in Kiew zwischen 2000 und 2002 seltsam viele Visa erteilte. Aber wie viel Schaden hat diese Masseneinreise von Ukrainern verursacht? Dazu fehlen verlässliche Daten.

So gibt es Hinweise, dass Ukrainer mit deutschem Visum als illegale Wanderarbeiter bis nach Portugal und Spanien vordrangen. Aber eine Explosion ungestatteter ukrainischer Erwerbstätigkeit scheint es dennoch nicht gegeben zu haben. Die „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ konnte bei ihren Razzien in Deutschland jedenfalls nicht feststellen, dass vermehrt illegale Ukrainer beschäftigt waren. Auch die Opferstatistik des BKA zeigt nicht, dass Ukrainerinnen zunehmend zur Prostitution gezwungen wurden.

Unklar ist auch die politische Einordnung der Visa-Affäre, die sich letztlich auf nur eine Frage konzentriert: Wie viel wusste Fischer wann? Bisher hat die Union nicht den unumstößlichen Beweis erbracht, dass der Außenminister geschludert hat. Umgekehrt ist aber auch offensichtlich, dass sich Fischer bisher nicht traut, selbstsicher jeden Vorwurf abzustreiten.

Bei dieser Unübersichtlichkeit liegt es nahe, auf ein geheimes Dokument zu hoffen, das endlich beweist, wie es wirklich war. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass ein solches Schriftstück auftaucht. Aber die Chancen sinken. Denn die relevanten Akten sind durch viele Hände gegangen, und es waren auch CDU-Anhänger darunter. Gäbe es DAS Schlüsseldokument – es wäre der Union wohl schon zugespielt worden. Wahrscheinlich bleibt es beim verwirrenden Quirl aus Fakten, Anklagen und Verteidigungen. Irgendwann dürfte der Untersuchungsausschuss daher ermüden – wenn nicht doch noch ein Zeugnis auftaucht oder ein Zeuge so aussagt, dass er damit endlich Klarheit schafft.