versammlungsrecht : Otto Schily übertreibt
Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Und zu behaupten, die Verhöhnung der Holocaust-Opfer sei eine Meinung – selbst dieser Gedanke grenzt bereits an ein Verbrechen. Deswegen ist es nur konsequent, dass Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) eine „Lex Holocaust-Mahnmal“ fordert. Doch der Teufel steckt im Detail.
KOMMENTAR VON FELIX LEE
Denn schon der zweite Teil des Gesetzentwurfs müsste Bürgerrechtler auf die Barrikaden treiben. Aus einer Vorlage Schilys, die bereits vor einem halben Jahr an die Öffentlichkeit gelangte, geht hervor, dass sein Haus nicht nur Neonazis im Visier hat, sondern „Extremisten“ allgemein. Und darunter wurden auch schon Mitglieder der PDS oder Initiativen links der Sozialdemokratie gefasst. Diese Formulierung wurde im Bundesinnenministerium gestern zwar nicht explizit gewählt – was aber nicht heißt, dass sie vom Tisch ist.
Noch einschneidender ist eine weitere geplante Gesetzesänderung: Widersprüche und Anfechtungsklagen gegen eine Verbotsverfügung sollen keine aufschiebende Wirkung mehr haben – ein Skandal, wenn dies gesetzlich festgeschrieben wird. Gerade die Berliner Polizei hat bisher keine Gelegenheit ungenutzt gelassen, unliebsame Demonstrationen von links zu behindern oder sie sonst wie mit ihren mehr oder weniger gesetzlich legitimierten Möglichkeiten zu schikanieren. Tritt diese Einschränkung des Versammlungsrechts ebenfalls in Kraft, könnten demnächst auch Demos am 1. Mai oder gegen einen Bush-Besuch von der Polizei blockiert werden – mit einem wie üblich kurzfristig ausgesprochenen Verbot, gegen das erst im Nachhinein geklagt werden könnte.
Dabei sollten wir eins nicht vergessen. Aufmärsche, die Nazi-Verbrechen verharmlosen und ihre Opfer verunglimpfen, gehören schon nach geltendem Recht unterbunden. Bisher fehlte bei den Verantwortlichen bloß häufig der Umsetzungswille.