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Archiv-Artikel

verpasst? Andacht bei Apfelsaft

„Thadeusz“, Di., 22.15 Uhr, RBB

Beeindruckend. Wirklich beeindruckend, wie beindruckt Jörg Thadeusz sein kann. Fast andächtig lauschte er Katrin Himmler. Die Großnichte von Heinrich Himmler, dem SS-Führer und Chef der deutschen Polizei im Dritten Reich, hat ein Buch („Die Brüder Himmler“, S. Fischer Verlag) geschrieben über die drei Brüder Heinrich, Gebhard und Ernst und darüber, wie man in ihrer Familie mit dieser Verwandtschaft umging.

Über Heinrichs Himmlers Verbrechen wurde in der Familie offen gesprochen, doch dass seine beiden Brüder mehr waren als bloße Mitläufer, fand Katrin Himmler erst durch jahrelange, sehr persönliche Recherchen heraus.

Und Jörg Thadeusz ließ sein Markenzeichen, diese behutsame Dauerironie, im Schrank. Hakte nur hier und da nach. Wahrte Abstand, wo andere Interviewer bei solchen Themen sofort mit der emotionalen Brechstange („Wie halten Sie das aus?“) kommen. Und schaffte so zum Ende der Sendung viel ehrliche Einblicke ins (Seelen-)Leben einer Frau, die sehr mit sich im Reinen ist – und sich trotzdem immer wieder auch wünscht, eine ganz Andere zu sein.

Das holperte zwar hier und da noch ein wenig. Zeigte aber: Auch für diese Themen taugt „Thadeusz“. Die Sendung genügt ihrem nicht ganz kleinen Anspruch. Das ist im deutschen Fernsehen schon beinahe eine Seltenheit.

Zudem zeigte sich, dass es nicht auf schräges Studiodesign ankommt. Auch der „Bordservice“, bei dem zur Sendungsmitte Getränke serviert werden, war so überflüssig wie der „Gag in der Mitte“ der längst verblichenen „Anke Engelke Show“. Da saßen zwei Menschen am Tisch einander gegenüber und hatten sich – und den Zuschauern – etwas zu sagen. Das reicht. Allerdings: Dass den handelsüblichen kleinen Apfelsaftflaschen in der ARD weiterhin demonstrativ das Etikett (Schleichwerbung!) fehlt, ist schon sehr hübsch. STEFFEN GRIMBERG