verpasst? : Prost Mahnmal!
Fr., 20.15 Uhr, SWR: „Fröhlicher Weinberg“ – am Stelenfeld
Ein Holocaust-Mahnmal, zu dem die Menschen „gerne gehen“, wünschte sich einst Gerhard Schröder. Mit Kurt Beck und dem SWR gibt es nun sogar eins, wo die Leute gerne feiern. Es ist ein lauer Abend, und die Stimmung auf dem „Fröhlichen Weinberg“ ist famos. „Sehen Sie, det is Berlin!“, schmettert Ulrike Neradt, Deutsche Weinkönigin von 1972, auf der Bühne, und hinter ihr fährt die Kamera an den lieblich wogenden Stelen des Mahnmals entlang. Als Kulisse für eine Schlagersendung mag das Denkmal für die ermordeten Juden Europas noch gewöhnungsbedürftig erscheinen. Der SWR gab sich aber schon mal alle Mühe, Schwellenängste abzubauen. Der „Fröhliche Weinberg“, Klassiker für Freunde des Viervierteltakts, beendete seine Sommertour durchs Sendegebiet mit einem Abstecher in die Hauptstadt. Und Kurt Beck lud dafür in den Garten der rheinland-pfälzischen Landesvertretung. Der grenzt, getrennt bloß von der schmalen Hannah-Arendt-Straße, direkt an das Mahnmalfeld. Dort verbietet die strenge Besucherordnung zwar „Lärmen, lautes Rufen, das Benutzen von Musikinstrumenten“. Aber für Nachbars Garten gelten diese Regeln natürlich nicht. So wurde das SWR-Fest zünftig und weinselig wie immer und musikalisch nicht grauslicher als sonst. Nur schimmern bei den meisten anderen Auftritten Bernhard Brinks keine Degussa-versiegelten Betonstelen im Hintergrund. Der SWR-Bildregie, die beim „Weinberg“ sonst die Schönheiten von Besigheim ins Licht setzt, hatte sich sichtlich ins Mahnmal verliebt. Vorne schunkelnde Pfälzer inklusive Ministerpräsident, dahinter die singenden „Zipfelbuben“ und weit sich öffnend das Panorama des Stelenfelds. Nicht allen hat das gut gefallen. Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden, hat die „Weinberg“-Ausgabe „mit leichtem Befremden zur Kenntnis genommen“. Da es nicht das Mahnmal des Zentralrats sei, habe man die Bundesregierung und den Stiftungsrat um Stellungnahme gebeten. Auch Uwe Neumärker, der Geschäftsführer der Denkmal-Stiftung, findet Schlagershows am Mahnmal „denkbar unpassend“, glaubt aber damit leben zu müssen. „Solange die Volksmusiktruppe nicht im Stelenfeld selbst spielt, kann ich da nichts machen.“ Das sei eben Berlin. Der SWR will sich morgen äußern. NIKLAS HOFMANN