urdrüs wahre kolumne : Ästhetik des Widerstands
„Mensch, wo bist Du?“ ruft ab sofort der Kirchentag 2009 nach Bremen und soll damit ein „Signal der Ermutigung und Solidarität“ sein. Spätestens jetzt wäre es an der Zeit, den alteingesessenen Bremer Murat Kurnaz zu bitten, die Ehrenbürgerschaft der Freien Hansestadt anzunehmen und damit ein kleines Stück Wiedergutmachung zu leisten für die Verbrechen, die in ihrem Namen an ihm begangen wurden. Zumindest ein Bußgottesdienst im Dom sollte schon drin sein.
Bei einer Crashtour durch Hamburg gelang es dem Baulöwen Hermann Friedrich Bruhn, sein 420-PS-Geschoss mit gleich drei Unfällen zu zerschroten, dabei war das Superbenzin nicht mal um 0,7 Promille Blutalkohol angereichert. Da vermuten wir doch ganz andere Hintergründe, auch wenn es zum Unfallzeitpunkt gar nicht geschneit hatte – zumindest auf den Straßen. Wobei: Können Baulöwen überhaupt die zum Führen eines Kraftfahrzeugs nötigen Charaktereigenschaften haben? Gilt da nicht das Gesetz des Dschungels?
„Legal, illegal, scheißegal“ ist offenbar die Devise von Bürgermeister Jan Willi Degen aus Arnis (Kreis Schleswig). Obwohl die 300 Einwohner von Deutschlands kleinster Stadt sich mehrheitlich gegen die Installation von über 100.000 Euro teuren Leuchten ausgesprochen hatten, rief das Stadtoberhaupt jetzt die Kommunalaufsicht zur Hilfe, um die Bagger anrollen zu lassen: Wo mag dieser Potentat wohl die neuen Ökosparlampen in seiner Garage her haben?
Dauercamper Konrad Kunick wird morgen zum Gedenken an die Helden der Bremer Räterepublik auf dem Waller Friedhof sprechen, anschließend liest Exsenator Horst von Wessel im Kulturzentrum Westend aus Peter Weiß’ „Ästhetik desWiderstands“. Unter diesen Umständen würden wohl auch die Revoluzzer von einst dafür plädieren, dass solche Sozialdemokratie möglicherweise koalitionsfähig für die Linke werden könnte. Die Grünen aber werden langsam auch mal was für ihre politisch-soziale Rehabilitation tun müssen, wollen sie nicht mutterseelenallein auf dem Bahnsteig der Geschichte zurückbleiben.
Durchaus nachvollziehbar, dass Städte wie Neumünster oder Delmenhorst gelegentlich versuchen ihr Selbstbewusstsein zu stärken, indem sich sich etwa mit der größten Dauerwurst der Welt um einen Platz im Guiness-Buch der Rekorde bewerben. Ein Armutszeugnis aber ist es, wenn die Pappnasengeschwader des Bremer Stadtmarketings jetzt für einen neuen Rekord im Bollerwagen-Umzug tatsächlich 1.051 Karren zusammengebracht haben. Wer sowas als irgendwie witzig zu verniedlichen sucht, kennt die ewigen Spacepark-Großmäuler schlecht, die sich in grobem Unfug verrennen und vom Gehalt her ihr Praktikantendasein doch längst hinter sich haben.
Im niedersächsischen Obernkirchen begegnet mir am Urinal des Gasthauses „Mühlenteich“ ein Herr, der in der einen Hand die Zigarette und in der anderen das Bierglas hält und ansonsten den Dingen ihren Lauf lässt. Er fordert mich auf, seinen Glimmstängel in die Hand zu nehmen, damit er den Hosenbund schließen kann, was ich ablehnte. Worauf er ziemlich sauer meint: „Wäre ich Helmut Schmidt, du hättest es doch glatt gemacht.“ Hätte ich nie und nimmer, schwört ULRICH „Gleichmacher“ REINEKING
ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, möchte sich die Koalitionsfähigkeit der SPD betreffend nicht festlegen.