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Dorfsex
Seit geraumer Zeit quält die Wissenschaft folgende Frage: Soll der Leistungssportler vögeln oder nicht? Besonders interessiert dabei die Analyse des vorsätzlichen Beischlafs in Wettkampfnähe. Verbraucht sie oder er alle Kraft in der Kohabitation? Löst es die von Nervosität zerfressenen Glieder? Oder fordert es nur Substanz, die man lieber im Becken, auf Tartan oder der Planche gelassen hätte? Ein kniffliges Forschungsprojekt.
Im olympischen Dorf jedenfalls treibt man es. Und das nicht schlecht. Um sportlichem Nachwuchs vorzubeugen, gaben die Organisatoren vor Olympia Kondome aus. Immerhin so viele, dass fünf Stück pro Tag pro Dörfler ihrer Füllung harren. Bild legte den Verdacht nahe, im Dorf gehe es zu wie in einer thailändischen Bumsbude. Ein deutscher Ruderer, freilich anonym, gab kund, mit Viererbelegung werde es im Doppelzimmer erst richtig nett.
Die meisten lassen sich nach dem Wettkampf gehen. Andere warten nicht lang auf den Höhepunkt und bereiten sich halt ihren privaten. Der Zehnkämpfer Jürgen Hingsen brüstete sich stets damit, vor dem Start noch mal ordentlich mit seiner Freundin gefickt zu haben. Das hätte bei Pierre Baron de Coubertin sittliche Entrüstung ausgelöst. Überdies fand er die Sport treibende Frau nicht sonderlich attraktiv, denn „der Kampf verzerrt das Antlitz des Weibes“.
Eine schöne Vorstellung, all die chippengedaleten Schönkörper und gertenschlanken Walküren vereint zu wissen. Aber was hört man da aus down under? Von „Lippenstift-Lesbos“ ist die Rede. Und die steroid-kantige Form mancher Sportlerin schreie förmlich nach verschärften Gentests. Dabei dürften seit Mexiko 1968 alle Zweifel am eindeutigen Geschlecht ausgeräumt sein. Davor, ja, da musste man schon mal genau in den Schlüpfer gucken. Vor mehr als 60 Jahren gewann der Hermaphrodit Doro Ratjen den Hochsprung der Frauen. In den Sechzigern machten Irina und Tamara Press in den Disziplinen Kugelstoßen und Diskus von sich reden. Später gingen sie als die „Press-Brüder“ um die Welt. Und auch die Österreicherin Erika Schinegger hätte Erik heißen müssen, die polnische Sprinterin Eva Klobukowska Adam.
Heute besitzt jeder Olympionike eine Green Card, die beweist, wie viele X-Chromosome er hat. Es kann also ganz ohne Verwirrung drauflos gevögelt werden. Oder mit den Worten von Ex-Bundesberti: „Wenn die Frauen kommen, ist das gut für die Jungs.“
MARKUS VÖLKER
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