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Archiv-Artikel

unterm strich

So langsam gleitet die Debatte ins Grundsätzliche: So hat der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin kürzlich laut nachgedacht und seine Gedanken den Berichterstattern der Leipziger Volkszeitung mitgeteilt. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Sparmaßnahmen forderte Sarrazin eine grundsätzliche Überprüfung der staatlichen Kulturförderung. Der Staat müsse sich schon recht gut überlegen, wie hoch denn die Zuschüsse für die Kultur sein müssen, sagte der SPD-Politiker in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung. Schließlich, so Sarrazin, würden die meisten Kosten nicht durch die Produktion von Kultur entstehen, sondern durch ineffiziente Strukturen und Angebote mit wenig Nachfrage. „Wenn man hier einspart, muss dabei nicht unbedingt weniger Kultur herauskommen“, gab Sarrazin zu bedenken. „Wenn man bei uns von Kultur spricht, meint man meist staatlich subventionierte Oper oder Theater, die nur ausgewählten Kreisen des Bildungsbürgertums zugute kommen“, sagte der Finanzsenator, der sich selbst offenbar weniger ausgewählten – oder weniger gebildeten? – Kreisen des Bürgertums zurechnet. Kultur sei aber auch Popmusik und Literatur, die ohne Subventionen auskämen, führt Sarrazin zum Vergleich auf. Das Argument, ein Abbau von Kulturangeboten bedrohe die Demokratie, wolle er jedenfalls nicht gelten lassen, erklärte er. „Es gibt und gab Diktaturen, wo öffentliche Kultur in ganz hohem Umfang subventioniert wird“, wird er zitiert. „Und es gibt Demokratien, wo es praktisch gar keine öffentlich finanzierte Kultur gibt, zum Beispiel die USA.“ Das ist zwar alles richtig. Doch leider ist Thilo Sarrazin nicht der Finanzsenator einer US-amerikanischen Gemeinde, sondern eben Berlins mit seinen drei öffentlich subventionierten Opernhäusern, seinen über zwanzig von der Stadt finanzierten Theaterbühnen und seinen vielen Museen. Deswegen darf man schon jetzt gespannt sein, wohin seine grundsätzlichen Überlegungen führen dürften – und wie sie sein Senatskollege Thomas Flierl in konkrete Entscheidungen umzumünzen gedenkt.

Ein Schriftsteller, der sich nicht über mangelnden Publikumszuspruch beklagen kann, ist unser Autor Wladimir Kaminer. Kein Wunder, dass er nun auch für die Theaterbühne adaptiert (oder adoptiert?) wird. Am Freitag hat das Theaterstück „Marina. Wiedersehen in der Russendisko“ im Jungen Theater in Göttingen Premiere. Kaminers erstes Theaterstück schildert die Geschichte eines russischen Paars, Alik und Marina, das 1990 nach Deutschland kommt, um ein anderes Leben zu beginnen. Wir gratulieren.