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Archiv-Artikel

unterm strich

Er war einer der wichtigsten Künstler der deutschen Nachkriegszeit: Bernard Schultze, der am Donnerstag in Köln, wo er seit fast 40 Jahren lebte, im Alter von 89 Jahren gestorben ist. Nach Auskunft seiner Familie erlag er einer Lungenentzündung. Der gebürtige Westpreuße gehörte – wie auch der 1999 gestorbene Hagener Emil Schumacher – zu den Wegbereitern der deutschen Nachkriegs-Abstraktion. Nach dem Studium an den Akademien in Berlin und Düsseldorf, seiner Kriegsbekanntschaft mit dem Expressionisten Erich Heckel und einer surrealen Werkphase schuf Schultze seit 1951 seine impulsiv-abstrakten „tachistischen“ Bilder, mit denen er er sich „einen Platz in der Kunstgeschichte“ zu ergattern hoffte, wie er gern ironisch kommentierte. Zu seinen originellsten Schöpfungen, wissen die Kunstexperten der Nachrichtenagenturen zu berichten, gehörten die „Migofs“: wolkige Wesen, teils Pflanze, teils Tier, teils Mensch, die der Künstler aus Draht, Pappe, Kleister und Farben entstehen ließ.

1952 gründete Schultze – zusammen mit Karl Otto Götz, Otto Greis und Heinz Kreutz – die Frankfurter Künstlergruppe „Quadriga“, die bald der Kunst aus Deutschland den Weg ins benachbarte Ausland bereitete – insbesondere nach Paris, wo Schultze lange ein eigenes Atelier besaß. Von hier wiederum strahlten Anregungen der abstrakten Künstler Hans Hartung oder des eigenwilligen Wols, die auch Schultze beeindruckten, zurück nach Deutschland. Die spontan-gestische „informelle“ Malweise Schultzes speiste sich aus den Quellen von Romantik und Surrealismus: diffuse Strukturen in bleich-gebrochenem Grün, Braun oder Rot, die sich auch zu halbplastischen Reliefs mit mystischen Titeln wie „Rubyrr“ (1957) ballen. Dem Materialismus der „Wirtschaftswunder“-Jahre wollte Schultze die Ästhetik des Hässlichen, die Dimension von Werden und Vergehen entgegensetzen: eine Botschaft, die bald von der aufkommenden Pop-Art übertönt wurde. Schultze wurde mit vielen Preisen und seit 1972 mit der Mitgliedschaft in der Berliner Akademie der Künste geehrt. Mit dem jüngsten Revival der Malerei wurde er zuletzt auch wieder als einflussreicher Wegbereiter benannt.