piwik no script img

unterm strich

Bayern freut sich über Fake-Kulturerbe. Es wurden mal wieder Stätten des Weltkulturerbes verteilt, und Deutschland – genauer: Bayern – hat einige davon abbekommen. Das Welterbekomitee der UN-Kulturorganisation verlieh das begehrte Welterbesiegel wie erwartet für Schloss Neuschwanstein im Allgäu sowie die Schlösser Herrenchiemsee und Linderhof in Oberbayern. Außerdem wurde das Welterbeprädikat für das kleinere und weniger bekannte Königshaus am Berg Schachen bei Garmisch-Partenkirchen verliehen. Markus Söder (CSU) ist ganz aus dem Häuschen, Bayerns Ministerpräsident bezeichnete die Aufnahme als ein „Märchen“, das wahr geworden sei. Vor ein paar Jahren gab es noch mehr Skepsis als jetzt, ob die Architektur der Königsschlösser eigentlich des Welterbes würdig ist. Die spätromantische Kulissen-Architektur und die Absicht, eine andere Epoche zu imitieren, wurden oft als kitschig angesehen. Dabei sollten die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichteten Königsschlösser den Eindruck historischer Bauten erwecken und Mittelalterträume und Fantasien wecken. Schloss Neuschwanstein etwa wurde wie eine mittelalterliche Ritterburg erbaut und Schloss Herrenchiemsee nach dem Vorbild von Versailles errichtet. Tatsächlich handelt es sich bei den imposanten Schlössern aber um für ihre Zeit moderne Bauwerke. Egal ob Kitsch oder Kultur – das Kino und Walt Disney ließen sich von den bayerischen Märchenschlössern schon vor Jahren inspirieren. So wurde der britische Fantasyfilm „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ von 1968 teils in Schloss Neuschwanstein gedreht. Außerdem soll das Schloss für den US-amerikanischen Zeichentrick-Unternehmer Walt Disney die Inspiration für das „Cinderella-Castle“ in seinem US-Freizeitpark geliefert haben. Das Schloss hat auch Ähnlichkeit mit dem Schloss von Dornröschen im Disneyland Paris. Der Sängersaal in Neuschwanstein und die Venusgrotte im Linderhof sind jedenfalls wirklich toller Camp!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen