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Archiv-Artikel

unterm strich

Die Zeit, in der Germanisten mit ihrer Arbeit Aufsehen erregen konnten, ist längst vorbei. Um so beachtlicher daher, dass die Tatsache, dass Hans Mayer diese Woche hundert Jahre alt geworden wäre, alle Feuilletons beschäftigt. Aber Mayer war auch nicht nur Wissenschaftler, sondern einer der wichtigen und streitbaren Public Intellectuals der Nachkriegszeit bis hinein in die 80er-Jahre.

Mayer wurde 1907 in Köln geboren und studierte dort auch Rechts- und Staatswissenschaft, Geschichte und Philosophie. Er war SPD-Mitglied, wurde jedoch aufgrund seiner Sympathie für die KPD-O ausgeschlossen. 1933 musste er nach Frankreich, dann nach Genf fliehen. 1948 ging er mit seinem Freund Stephan Hermlin in die DDR.

Hier aber traute man ihm, der unbeirrt Kafka, Proust, James Joyce und Ernst Bloch verteidigte, nicht über den Weg. Der versteckte Antisemitismus der DDR findet sich in den zahllosen Akten der Stasi über Mayer wieder, ebenso wie seine Homosexualität unangenehm auffiel. Im Gegensatz zur Bundesrepublik aber hatte die DDR keinen Paragrafen 175, der Schwulsein kriminalisiert.

Ein Grund womöglich, so mutmaßt wenigstens Gustav Seibt, warum Mayer erst spät, nämlich 1963, die DDR verließ. Bis zu seiner Emeritierung zehn Jahre später lehrte er dann an der Universität Hannover. Zu seinen wichtigsten Werken zählen „Georg Büchner und seine Zeit“ (1972), „Außenseiter“ (1975), „Das unglückliche Bewusstsein – Zur deutschen Literaturgeschichte von Lessing bis Heine (1986). Später hat er auch zu Hans Henny Jahnn (1994) und Willy Brandt (2001) gearbeitet. Spannende Zeitdokumente sind zudem seine Briefwechsel mit Brecht, Grass, Böll, Hesse, Lukács, die 2006 im Lehmstedt Verlag erschienen.