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Der US-amerikanische Historiker Raul Hilberg wurde mit seinen Studien über den Holocaust international berühmt. Er verstarb am Samstag im Alter von 81 Jahren. „Es ist durchaus nicht übertrieben, wenn man feststellt, dass es auf der ganzen Welt niemanden mehr geben wird, der sich unterstehen würde, über den Mord an den europäischen Juden zu schreiben, ohne ‚den Hilberg‘ zu berücksichtigen“, sagte Reinhard Rürup in seiner Laudatio zu Raul Hilberg zu Recht. Raul Hilberg lebte bis zu seinem Tod in Burlington im US-Bundesstaat Vermont, wo er seit 1955 als Professor für Politikwissenschaften gelehrt hatte.
1926 in Wien geboren, emigrierte er mit seinen Eltern 1939 über Frankreich und Kuba nach Amerika. Als Mitglied der 7. US-Armee kam Hilberg 1944 nach Deutschland zurück und entdeckte 1945 in der ehemaligen NSDAP-Zentrale in München die in Kisten verpackte Privatbibliothek Adolf Hitlers – der Beginn seiner Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus zeitlebens. Hilberg schrieb eines der Standardwerke über den Holocaust, das in einer dreibändigen Fassung unter dem Titel „Die Vernichtung der europäischen Juden“ vorliegt.
1992 veröffentlichte er das Buch „Täter, Opfer, Zuschauer“, 1994 seine Autobiografie „Unerbetene Erinnerung. Der Weg eines Holocaust-Forschers“ und 2002 die Studie „Die Quellen des Holocaust“. Er wurde 1999 mit dem Marion-Samuel-Preis der Stiftung Erinnerung ausgezeichnet, 2002 erhielt er den Geschwister-Scholl-Preis. 2006 wurde ihm das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Jeder moralischen Beurteilung des Holocaust hat er sich stets enthalten. „Man muss die Gefühle zurückdrängen, um klar diese Tatsachen feststellen zu können: Man hat ein Stück Papier in der Hand, muss lesen, verstehen, wer wem schreibt. Es geht um das Datum, den Sachverhalt und so weiter. Das sind sehr konkrete Fragen. Gefühlsmäßig bekommt man keine Antworten“, sagte er in 2002 in einem Interview.
Ein ausführlicher Nachruf erscheint morgen in der taz.