unterm strich:
Wo war Botho Strauß, als das Genom entschlüsselt wurde? Wir wissen es nicht. Aber wir können sagen, er wäre nicht gern dabei gewesen. Denn: Es interessiert ihn nicht. Das schreibt er in einem am Donnerstag in der Zeit erscheinenden Essay. Das Erschließbare, schreibt der Mythendichter, interessiere ihn grundsätzlich weniger als das Unerschließbare. Das Genom ist erschlossen. Also: Kein Thema mehr für Dichter Strauß. Doch Hoffnung bleibt: Das Unerschließbare „ist, davon bin ich überzeugt, in unverminderter Fülle vorhanden und wird auch durch die raffiniertesten Entschlüsselungstechniken nicht aus ihr vertrieben werden“.
Die Eile, mit der dies ganze Entschlüsselungsgeschäft betrieben wurde, scheint ihm, dem alten Endzeitdeuter, auf eine Ahnung, eine neue Welt-End-Ahnung hinzudeuten: „Das Technische scheint seine Endlichkeit selbst zu ermessen, sonst würde es nicht derart überstürzt das Reservoir des Möglichen plündern und erschöpfen. Die kopernikanische Wende, als die man die endgültige Entschlüsselung des Humangenoms begrüßt, stößt auf kein Weltbild mehr, das sie umstürzen könnte.“
Oh, haben wir Herrn Strauß hier beim Ermessen seiner eigenen Endlichkeit überrascht? Oder dichtet er nur? Ist er erschöpft? Lesen Sie „Wollt ihr das totale Engineering?“ am Donnerstag in Ihrer Zeit. Und sagen Sie laut und deutlich „Ja!“ Es wird ihn freuen.
Claude Chabrol sagt laut und deutlich „Nein!“ zum deutschen Film. Mehr noch: er ist tot. „Nach 1945 konnte es nicht mehr an seinen Erfolg vor dem Zweiten Weltkrieg anschließen. Das ist dramatisch, denn es war einst das beste Kino der Welt“, erfuhren wir von dem 70-jährigen französischen Filmemacher in einem dpa-Gespräch. „Die deutsche Filmindustrie ist an der Basis krank. Ihr ist es nicht gelungen, Talente wie Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder oder Volker Schlöndorff zu halten. Wim Wenders dreht überall, nur nicht in Deutschland. Da stimmt doch was nicht“, erklärt der Sohn eines Apothekers, der Ende der 50er Jahre die Nouvelle Vague mitbegründete.
Das moderne französische Kino hingegen findet in den Augen des ehemaligen Filmkritikers Gefallen. „Ich finde vor allem das Frauenkino gut. Wir haben gute Schauspielerinnen und gute Regisseurinnen“, verkündet der Franzose, der in seinen Filmen gern weibliche Befindlichkeiten untersucht. So auch in „Süßes Gift“ (Kinostart am 4. Januar des neuen Jahres), wo Isabelle Huppert eine Schweizer Schokoladenfabrikantin spielt, die ihren Lieben merkwürdige Mittelchen in die Trinkschokolade mischt.
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