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James Bond bekam es genauso wie Rambo und Alexis Sorbas: 1.700 abendfüllenden Spielfilmen hat die Filmbewertungsstelle im Wiesbadener Schloss bisher das werbewirksame und Steuern sparende Prädikat „Besonders wertvoll“ verpasst – und eckte damit immer wieder mal an. Vor 50 Jahren wurde das kurz FBW genannte hohe Gericht gegründet. Den Grund für die regelmäßige Erregung über die Bewertungen sieht Geschäftsführer Steffen Wolf in einem Missverständnis. Viele könnten nicht nachvollziehen, dass ein Film „an dem Anspruch zu messen ist, den er an sich selbst stellt“. Selbst Blutorgien stehen einem Prädikat nicht zwangsläufig im Weg. „Die Frage ist immer, ob die Gewalt Selbstzweck ist oder überzeugend in die Handlung eingebettet“, meint Wolf. Steven Spielbergs „Der Soldat James Ryan“ erfüllte dieses Kriterium in den Augen der FBW, nicht aber Oliver Stones „Natural Born Killers“, obwohl Spielberg in 20 Minuten mehr Tote zeigte als Stone im ganzen Film. Als „Kunstrichter“ fungieren 53 Filmwissenschaftler, Kritiker, Kinobesitzer, Pädagogen und Autoren. Benannt werden sie von den 16 Bundesländern, die hinter der FBW stehen. Ein- bis zweimal im Monat kommen jeweils fünf von ihnen zusammen und begutachten in drei bis vier Tagen bis zu zehn Spiel- und mehrere Kurzfilme. 23.000 Filme hat die FBW in den 50 Jahren ihres Bestehens bewertet – die Hälfte (52 Prozent) bekam ein „Wertvoll“, 16 Prozent ein „Besonders wertvoll“, und jeder dritte Film (32 Prozent) fiel durch. Die Prädikate sieht Wolf als Orientierungshilfe für die Zuschauer. Heutzutage aber regiere bei der FBW nicht mehr der Kulturbegriff der Nachkriegsjahre, sie habe sich vielmehr auch für alle Genres vom Krimi bis zur Literaturverfilmung geöffnet und die gesellschaftlichen Entwicklungen mitgemacht. Allerdings wird nur etwa jeder Zweite der rund 320 pro Jahr in deutschen Kinos startenden Filme der Bewertungsstelle vorgelegt. Zum Kultfilm und Kassenschlager kann es eine Produktion auch ohne Wiesbadener Gütesiegel bringen, wie etwa „Alien“ und „Blues Brothers“ bewiesen. Die zweite Aufgabe der FBW besteht in der Nachwuchsförderung, denn ein Prädikat erleichtert den Zugang zu öffentlichen Filmfördermitteln. In Frage stand die Struktur der FBW nur einmal: 1982 machte Bayern Skandal und drohte mit dem Austritt – aus Ärger über das „Besonders wertvoll“ für einen Film über den CSU-Politiker Franz Josef Strauß („Der Kandidat“, Regie und Buch: Stefan Aust). Seitdem sind Prädikate für tagespolitische Filme ausgeschlossen, und ein „Besonders wertvoll“ erfordert eine Zweidrittelmehrheit.

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