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unterm strich

Luise Rinser, die Schriftstellerin, die eine wichtige Rolle in der deutschen Nachkriegsliteratur gespielt hatte, starb am Sonntag – unerwartet, so ihr Sohn Christoph Rinser – im oberbayerischen Unterhaching an Herzversagen. Die Schriftstellerin schrieb mehr als 30 Bücher, die in zwei Dutzend Sprachen übersetzt wurden. Mehr als fünf Millionen Exemplare ihrer Werke wurden verkauft. Zu ihren auflagenstärksten Romanen gehören „Mitte des Lebens“ (1950), „Daniela“ (1952), „Mirjam“ (1983) und „Abaelards Liebe“ (1991).

Luise Rinser wurde am 30. April 1911 als Lehrertochter im oberbayerischen Pitzling geboren. In Ohlstadt bei Garmisch arbeitete sie zunächst als Volksschullehrerin, musste 1939 den Staatsdienst allerdings quittieren, weil sie weder in die NSDAP noch in eine andere NS-Formation eintreten wollte. Nach ersten Veröffentlichungen wurde sie 1944 wegen Hochverrats und Wehrkraftzersetzung verhaftet. „Hass habe ich nur einmal in meinem Leben kurz empfunden“, sagte sie rückblickend auf diese Tage.

Sie reiste viel, studierte intensiv Land und Leute. Eine besondere Leidenschaft hegte die Schriftstellerin, die mit dem Komponisten Carl Orff verheiratet war, für Musik, Philosophie und Religionen. Luise Rinser unterstützte die Politik von Willy Brandt, wurde 1984 von den Grünen als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. „Ich habe mich für alles brennend interessiert, in der Politik vor allem“, sagte sie einmal. Zuletzt wehrte sie Fragen nach neuen Projekten ab. „Ich schreibe nicht mehr“, meinte sie.

Die Ansichten hätten sich verschoben. „Je älter man wird, je mehr man kapiert, desto weniger kann man erklären“, fügte sie hinzu. Wirbel verursachten 1994 ihre unter dem Titel „Gratwanderung. Briefe der Freundschaft an Karl Rahner“ veröffentlichten Schreiben an den Theologen. Der Jesuitenorden befürchtete Missverständnisse (euphemistisch für erotische Ausplaudereien). „Nur weil man ihnen Rahner als Mensch darstellt und nicht auf dem Sockel stehen lässt, auf dem er gar nicht stehen wollte“, meinte die Autorin dazu.

Oft wurden ihr Stempel aufgedrückt, sogar als Sympathisantin des Terrorismus bezeichnete man sie. Ihre Verehrung für den nordkoreanischen Diktator Kim Il Sung stieß auf Befremden. Was auch irgendwie verständlich ist. Andererseits machte sie als erste Deutsche nach dem Krieg Front gegen das Schweigen über den Holocaust. Sie erlebte ebenso hohes Lob wie hämische Verrisse – und wurde dabei gelassener. Mit 90 bekannte sie: „Was man über mich sagt und schreibt, es interessiert mich nicht mehr.“

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