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Archiv-Artikel

unter tage

Noch wollen sie ihn nicht so richtig gehen lassen: Um Ulrich Andreas Vogt, den im Zorn über die Kultur-Banausen im Stadtrat geflüchteten Intendanten des chronisch defizitären Konzerthauses Dortmund, formiert sich eine kleine Unterstützerszene. Der Förderkreis Handwerk hat eine Initiative „Pro Ulrich Vogt“ gegründet, die Mitarbeiter bedauern den Rückzug ihres Chefs in einem offenen Brief. Nicht zu den Trauernden zählt Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD): Möglichst schnell will der einen Nachfolger finden. Eine Ausschreibung soll es nicht geben: Die Stadtoberen wollen den Glücklichen direkt ansprechen, der den kulturellen Leuchtturm im nächsten Jahrtausend aus den Miesen führen soll.

Zu sehen gibt es im sonst auch vor buntem Kitsch nicht zurückschreckenden Konzerthaus in dieser Woche übrigens Klassisches: Die Dortmunder Philharmoniker bieten Mozarts Posthornserenade und Griegs Peer Gynt (Montag und Dienstag). Hoffentlich bringt das mehr als nur „blanke Unterhaltung“ – sonst gibt es nämlich Ärger mit Rolf Bolwin. Der Direktor des Deutschen Bühnen- und Theatervereins gibt derzeit zum wiederholten Mal den Rächer der enterbten Hochkultur: „Die angepasste Produktion, in der man mit der Speckseite nach dem Zuschauer wirft, wird nicht auf Dauer erfolgreich sein. Es sind oft die schwierigen Dinge, die Zuschauer anziehen“, sagt Bolwin. Die Menschen seien es leid, mit platter Unterhaltung zugeballert zu werden. Ob er dabei das Dortmunder Konzerthaus unter Vogt im Kopf hatte? Oder das Provinztheater in Castrop-Rauxel?

Die Dritte Version des Hauptmann von Köpenick im Umkreis von 25 Kilometer (Schauspielhaus Bochum, Theater Oberhausen) fand nämlich am Westfälischen Landestheater statt. Eine zusammengeflickte Szenenfolge ohne irgendeinen sinnvollen dramaturgischen Zusammenhang und mit dilettantischem Spassfaktor. Carl Zuckmayers Wilhelm Voigt spielt der für diese Rolle viel zu junge Guido Thurk, den Rest der Figuren teilt sich das Ensemble. Wer die Handlung des Deutschen Märchens aus der militanten Kaiserzeit nicht kennt, hier wird er sie garantiert nicht verstehen. Regisseur Christoph Zapatka wollte nicht Fisch nicht Fleisch, Zapatka kochte eine Wassersuppe. Platte Witzchen, die über Mundart und Slapstick funktionieren sollen, können vielleicht das komödienstadelverwöhnte Publikum – extra in Bussen angekarrt – zum Grinsen bringen, die unterirdische Inszenierung, die glücklicherweise mit 90 Minuten auskommt, sollte allerdings peinliche Röte ins Gesicht treiben. Wer es nicht glaubt, fährt ab Dienstag in die sterile Europahalle nach Castrop-Rauxel.

Geht es nach der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt, kann sich der werte Zuschauer eh vor der Glotze sitzen bleiben und sich dort nicht nur mit platter Unterhaltung, sondern auch mit Schleichwerbung zuballern lassen. Norbert Schneider, als LfM-Direktor oberster Wächter des NRW-Privatfernsehens, will neue Werbeformen vorerst dulden. Wenn in Kochshows für Nudeln und Katzenfutter geworben werde, sei das kein Drama – der Zuschauer könne ja wegzappen. Schneider ist mit seiner Position in guter Gesellschaft: So genau sehen die Kollegen vom Öffentlich-Rechtlichen die Trennung von Programm und Werbung schließlich auch nicht: Oder Erinnern sie sich an eine „Wetten dass“-Folge ohne Mercedes, eine Sportsendung ohne Gewinnspiel?