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Archiv-Artikel

traumhochzeit von EUGEN EGNER

„Ah, jetzt beginnt die Übertragung aus dem Standesamt“, sagt der Kommentator. Ich, der Bräutigam, kann aber leider nicht erkennen, wen ich da heirate, weil bei der Fernsehübertragung der Trauungszeremonie allen Anwesenden die Köpfe fehlen. Der Kommentator verrät den beiden Damen, die mit ihm in der heizbaren Kommentatorenkabine sitzen, weshalb das so ist: „Kameramann ist das Kind der Trauzeugen.“ Der Standesbeamte erklärt mir meine Braut. Ihre Anwendung und Aufstellung in der ehelichen Wohnung könne wahlweise waagerecht oder senkrecht erfolgen, sagt er. Der Kommentator versorgt die Zuschauer (wir haben einige Stofftiere in eine Kiste gesetzt) mit wichtigen Informationen über meine Vergangenheit und einem Bericht über den Polterabend: „Die nur dem engsten Familienkreis vorbehaltene Feier findet im Keller der Brauteltern statt.“ Auf dem Monitor sehe ich in einer Aufzeichnung, wie eine hoffnungslose Bande von Verdammten an einem Tapeziertisch beisammenhockt. Das, was da neben den Käsehappen auf den Tod wartet, bin ich! Ungerührt sagt der Kommentator. „Die Braut hatte sich aus Verzweiflung über ihr Schicksal so besoffen, dass …“

„Da!“, schreit die andere der beiden Damen. „Jetzt wird was anderes gesendet!“ In einer schwindelerregenden Draufsicht wird das Stadtzentrum gezeigt, wodurch es so fremd aussieht, dass seine eigene Mutter es nicht wiedererkennt. Stadtzentrum: „Aber, Mami! Ich bin’s doch, dein Kind!“ Mutter des Stadtzentrums: „Niemals! Mein Kind sieht ganz anders aus!“ (Für diesen Dialog erhalten Mutter und Kind die Goldene Kamera.) Dann folgt ein rabiater Schnitt auf die Zuschauer. Kostümierte, alkoholisierte Stofftiere aus der Kiste versuchen, die Absperrungen zu durchbrechen, werden aber von berittenen Ordnungshütern zurückgeknüppelt. Die Dame rechts neben dem Kommentator, laut Einblendung heißt sie wie der Vater des Stadtzentrums, wirft ein: „Der Bräutigam soll ja früher bereits eine Frau gekannt haben.“ Der Kommentator weiß natürlich sofort alle Details: „Eine Engländerin namens Gertrud, benannt nach meiner Mutter …“

„Verzeihung“, korrigiert ihn die Dame zur Rechten, „nicht die Engländerin, sondern die Insel, auf der das Brautpaar seine Flitterwochen verbringen soll, ist nach Ihrer Mutter benannt! Übrigens habe ich Ihre Mutter noch gekannt.“ – „Wer kannte sie nicht?“, erwidert der Kommentator darauf. „Schließlich war sie weit und breit die einzige Frau mit Vollbart! Aber wir wollen doch einmal sehen, ob noch während unserer Live-Übertragung die Ehe vollzogen wird. Sehen Sie, jetzt setzt die Braut ihren Namen unter den Ehevertrag.“ Dabei rutscht ihr, wie ich sehe, der Rock in den Nacken.

Die Stofftiere aus der Kiste werden unruhig. Man kann gerade noch sehen, wie wir zu unseren Flitterwochen auf Gertrud aufbrechen, dann stürmen die Stofftiere das Stadtzentrum. Die Mutter des Stadtzentrums lacht furchtbar über die Fernsehkamera, die dabei umfällt. Oder ist es die Mutter vom Kommentator? Wegen ihrer Bärte sind sie so schwer voneinander zu unterscheiden. Der Kommentator (jetzt auch mit Bart) nutzt den Tumult dazu, mit meiner Braut durchzubrennen.