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Archiv-Artikel

tonspur Krankenhausrundfunk

Sie werden es nicht glauben – aber auch ein Radio ist mal krank. Grippe eben, mit Kratzen im Lautsprecher, geröteten Lautstärkereglern und fiesem Husten. Leider kann ich mich nicht so einfach ins Bett hauen wie Sie oder wenigstens einen Schal tragen – wie sähe das denn aus! Mir bleibt nichts anderes übrig, als still vor mich hinzuleiden. Zu allem Übel muss ich auch noch die Beschimpfungen meiner Besitzerin ertragen, weil ich in diesen Zustand die Sender natürlich nicht so gut rein bekommen.

Deshalb bin ich zur Zeit froh, wenn eines der unzähligen Gesundheitsmagazine durch mich hindurchrauscht. Ich frage mich zwar jedes Mal, warum noch kein Sender auf die Idee gekommen ist, diese Sendungen Krankheitsmagazine zu nennen. Denn darum geht’s schließlich: Osteoporose, Fußpilz, Bronchitis, Rückenschmerzen, Heuschnupfen. Keine Beschwerden, die nicht im Radio oder im Fernsehen behandelt werden könnten. Es soll ja mittlerweile Menschen geben, die beim NDR anrufen und einen Termin beim Medienmedizinmann machen wollen. Angesichts der Fülle an Heilkunde und Heilkundschaft im Radio und dem Mangel an Platz auf dieser Seite kann ich nur diesen Programmtipp geben: Fragen Sie ihren Arzt oder ihre Programmzeitschrift. Aber halt, einen Hinweis möchte ich doch loswerden: Immer dienstags, um 10.10 Uhr können Sie tatsächlich zur „Sprechstunde“, so heißt die Rubrik im „Journal am Vormittag“ im Deutschlandfunk. Ein Experte aus dem Leben jenseits des Rundfunks verarztet hier die Zipperlein der Hörer. Das Thema an diesem Dienstag: Sportmedizin, die vermeintlich Gesündeste unter den Kranken. Zu Gast ist Petra Platen vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin in Köln. „Kreislaufforschung“-Laboranten im weißen Kittel spielen kugelrunden Nachlauf und bewerfen sich mit Reagenzgläsern? O je, das muss das Fieber sein, ich bekomme schon Halluzinationen.

Und wenn Radiogeräte Fieber haben können, dann kann das auch ein Planetarium. „Camilleri-Fieber im Mannheimer Planetarium“ schreibt der SWR in einer Pressemeldung, sagt aber nicht, was er tut, um das Fieber zu senken. Kann man einem Planetarium Wadenwickel machen? Oder es mit Aspirin begießen? Vielleicht sollte alle Mannemer sich das aus der Nähe anschauen, und zwar am heutigen Samstag um 19.30 Uhr. Da wird nämlich das Hörspiel „Das Spiel des Patriarchen“ von Andrea Camilleri uraufgeführt. Ein bisschen fiebrig ist auch die Handlung dieses Krimis: Ein junger Mann wird erschossen aufgefunden, gleichzeitig verschwindet ein älteres Ehepaar aus dem Wohnhaus des Ermordeten. Commissario Montalbano – einer von den inflationär in Erscheinung tretenden italienischen Kriminalbeamten, die man gerne miteinander verwechselt – nimmt die Ermittlungen auf. Wem das alles zu heiß und Mannheim zu weit weg ist, dem seien die Sendetermine der zweiteiligen Produktion in Klammer und zum Ausscheiden ans Herz gelegt. (22. und 29. März, 23.05 Uhr, SWR 2 sowie 23. und 30. März., 23.00 Uhr, SWR1)

Und wie das so ist mit dem Herz, das ja auch schlimm krank sein kann, an der Liebe und/oder an der Welt und das in den meisten Fällen nicht durch Hilfe von Ärzten und Medizinsendungen gesundet – dem Herzen jedenfalls kann man in dieser Woche mit einem Hörspiel von Rolf Dieter Brinkmann auf die Sprünge helfen und es heftig klopfen lassen. „Besuch in einer sterbenden Stadt“ (Dienstag, 20.20 Uhr, DLF) ist ein hörbares Netz aus Beobachtungen und Textfragmenten: sinnliche Eindrücke aus der Großstadt, autobiografische Splitter, Buch- und Briefzitate. „Ich trat auf die Straße und da lag wieder das Gefühl eines grässlichen Unfalls in der Luft.“ – Unheimlich, wenn man bedenkt, dass der Lyriker und Erzähler Brinkmann mit 35 Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam. Und so faszinierend sein Werk im Allgemeinen auch ist, bei so viel Schwermut denke ich abschließend: Zum Glück habe ich bloß die Grippe.

VERONA VON BLAUPUNKT