tonspur : Suff, Krimi und ein Sony
Was mich als emanzipiertes Radiofräulein der, nun, sagen wir weiseren Generation, immer schon fasziniert hat, ist der thematische Zusammenhang zwischen Männern, Country und Suff. Ist ja alles aus einem Guss, die Kerle, die US-amerikanische Folkoremusik und der Schnappes: Machen nicht viel Worte, triefen vor Selbstmitleid und sind auf Dauer ungesund (muss ich Hank Williams erwähnen? Muss ich das? Mit 29 in seinem weißen Angeber-Cadillac auf dem Weg zum Konzert zugedröhnt in den Tod gesaust? Hmm?).
Aber der absolute Peak, der Zenit, das aus Zigarettenasche und Whiskey zusammengematschte I-Tüpfelchen auf dem Wort „Allianz“ ist die Kriminalgeschichte. Kommt eine dazu, dann heulen die Kerle vor Begeisterung. Wie bei Kinky Friedman, seit den 70ern unter anderem als Bobbie Dylans Begleiter unterwegs, boozegepitchte Stimme unterhalb der Tonhöhe einer rostigen Metallfräse, und die Frauen in den Texten sind schöne, fiese Hexen. Die Kinkys Herz nehmen und zwischen ihren wohlmanikürten, blutroten Fingernägeln zerquetschen wie die Limone in einem Caipirinha. Seit 1986 schreibt Friedman Krimis, und ab und an und wenn das Schicksal hold ist, kriegt man auch mal Hörspielvarianten mit. Am Samstagmorgen zum Beispiel, wenn tiefe Männerstimmen die Geschichte um einen kleinen Koffer im WDR-5-Programm intonieren, untermalt von malerischer Gitarre: Kinky, eine geheimnisvolle Lady im Flugzeug, sie gibt ihm einen Koffer, verschwindet, er bekommt einen Anruf vom State Department – uiuiui. („Nur ein kleiner Koffer“, 3. 5., 10.05 Uhr, WDR 5).
Ulrike Haage, Musikerin und Künstlerin, deren Produktion mir schon öfter aufgefallen sind – ich erinnere mich genau, bin eben ein sentimentales Stück Diodenpuzzle. Haage jedenfalls hat im weitesten Sinne auch etwas zum Thema Männer/Frauen/gibt es Unterschiede? – und wenn ja, wie viele? – beigesteuert: Sie hat die Bildhauerin Louise Bourgeois porträtiert. Jene Dame hatte keine Berührungsängste was ihre Bastelmaterialien betrifft und verarbeitete sogar das, was man aus dem Brötchenbauch herauszuppeln kann (und regional ähnlich bekloppte Namen hat wie der Apfelgriebsch – wir nennen es „Brötchengewöll“). Außerdem ist die Bourgeois erst sehr spät berühmt geworden mit dem, was ihre Nemesis zu sein schien: „Ich mache Skulpturen, weil ich das tun muss“, sagt sie, also in Wirklichkeit Sprecherin Monica Bleibtreu, in Haages Hörspiel nach Bourgeois’schen Aufzeichnungen.
Frau Bleibtreu kann man gut zuhören (ansehen tut man sie mindestens genauso gern, falls wir uns mal kurz an die „Manns“ erinnern, bei denen ihre warmen braunen Augen als Erika Mann alle Kinder gleich groß anplinkerten), und da Ulrike Haage frei und firm in Ausdruck und Musikalität ist, klingt die Bourgeois-Bio wie eine hübsch-seltsame Collage voller Pianomusik, Stimmengewirr, Tagebuchskizzen – die Geschichte einer Frau, deren Vater eigentlich viel lieber einen Jungen gehabt hätte, und so kam eins zum andern, und es dauerte eine Weile, bis die Bourgeois ihre Vergangenheit ausgetrieben hatte. „Ich bin eine Frau von Emotionen, die sich dennoch danach sehnt, eine Frau von Verstand zu sein“, sagt sie irgendwo mal gewichtig, und da möchte man ihr am liebsten zurufen: Aber immerhin hast du so viel Verstand, diesen Umstand wahrzunehmen! Womit ich kurz darauf hinweisen möchte, dass es mir als Radio überhaupt nichts ausmacht, hin und wieder angeschrien zu werden. Im Gegenteil. Ich freue mich, als vollwertige Gesprächtspartnerin akzeptiert zu werden, und nicht nur als Diodenpuzzle („ding fest machen“, 4. 5., 15.15 Uhr, BR, und 5. 5., 20.05 Uhr). Ein letzter kleiner Tipp: Der erste Teil des Hörspiels „Mein erster Sony“ läuft am Freitag, eine israelische 80er-Jahre-Chronik, in der es u. a. schon wieder um Männer und Frauen geht. Aber auch um Politik. Das schließt sich nämlich nicht aus („Mein erster Sony“, 9. 5., 19.05 Uhr, DeutschlandRadio Berlin).
VERONA VON BLAUPUNKT