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Archiv-Artikel

tödliche pointen im frühling von MICHAEL RINGEL

Die Sonne scheint, bunte Blüten öffnen sich, die linden Lüfte sind erwacht – nichts ist so kitschig wie der Frühling. Wer würde schon in einer solch schönen Jahreszeit an den Tod denken. Das ist etwas für den Winter …

Nur leider hält sich der verfluchte Tod nicht an die Spielregeln, er hat immer Saison. Der eine Kollege fällt ausgerechnet während einer Herzuntersuchung beim Arzt tot um – Herzinfarkt! Der andere Kollege verschwindet sang- und klanglos von einem Tag auf den anderen, wie er es in seiner verschlüsselten Autobiografie angekündigt hatte. Wahrscheinlich hat er Selbstmord begangen, gefunden wurde er noch nicht. Dem elenden Schnitter scheinen die Pointen seines irren Spiels im Frühling noch mehr Spaß zu bereiten.

Komiker und Humoristen sind traditionell übel gelaunt. Das hat seinen Grund. Zunächst sind da die alltäglichen Zumutungen, dass jeder zu wissen glaubt, was Humor und Komik sind. Oft betritt man morgens zum Beispiel einen Aufzug, und die Mitfahrstuhlfahrer bemühen sich, gnadenlose Witzischkeit an den Tag zu legen. Da steht dann so ein Genie, das nicht mal die Kaffeetasse gerade halten kann, und bollert einen kumpelhaft an: „Alles klaro, alte Arschkrampe?!“ Die Laune wird dadurch nicht besser.

Humoristen sind aber vor allem deshalb ständig übel gelaunt, weil sie dem Tod näher sind als gewöhnliche Sterbliche. Der Tod verfolgt sie geradezu. Weiß er doch, dass Humor die einzige Waffe ist, die ihn in seiner grausamen Ernsthaftigkeit besiegen kann. Es ist ein harter Kampf, der viele Humoristen in die Depression treibt, die sie gern mit dem schlechtesten aller Gegenmittel bekämpfen, dem Alkohol. Ein Teufelskreislauf aus Versagensängsten und tatsächlichem Versagen setzt sich in Gang, und keiner will in das Schwungrad der destruktiven Kräfte greifen, aus Furcht, dass die humoristischen Fähigkeiten verloren gehen. Lieber lässt man sich aus der Bahn werfen. Und der Tod siegt letztlich wieder.

Wer einmal im Leben den Nachruf für einen Freund geschrieben hat, der weiß, was „the show must go on“ bedeutet. „Alles geht zu Grund! Alles geht in die Brüche! Alles ist umsonst geschrieben!“, könnte man mit Oskar Panizza glauben. Und warum ist es doch nicht so? Weil es „immer weitergeht, immer weiter …“, wie der große Philosoph Oliver Kahn zu Recht einmal sagte.

Humoristen wissen am besten, was das krachlederne Wort von Otto Julius Bierbaum meint: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ Nur logisch war deshalb, dass auf der ersten Beerdigung des Jahres der beste Witz der letzten Zeit zu hören war. Die verständlicherweise leicht überdrehte Witwe erzählte vom Sargkauf und von all den barock verschnörkelten Todesmöbeln, die nicht ihrem Geschmack und erst recht nicht dem ihres toten Mannes entsprochen hätten. Nach langer Suche im Sarglager habe sie dann aber doch noch einen schnörkellos schlichten Holzsarg entdeckt, den sie sofort für das Begräbnis erwerben wollte. Dieser Arbeitssarg sei nur für Überführungen, stellte sich der Beerdigungsunternehmer entrüstet quer und sagte: „Den kriegen Sie nur über meine Leiche.“

Man sollte öfter mal auf eine Beerdigung gehen. Das hebt die Laune.