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Archiv-Artikel

terror 05 gegen peiniger rö ro von WIGLAF DROSTE

In „Rattus Rex“ von Colin McLaren heißt es über die Sensationsreporter Saintly Hodges und Joseph Xavier Maginn: „Wenn es ihnen einfiel, konnten sie einen Nähzirkel christlicher Damen in 200 Worten als Tarnorganisation für ungehemmte Ausschweifungen entlarven, eine Protestversammlung einberufen und dem Aufbruch eines Trupps ordnungsliebender Bürger beiwohnen, welche die Damen auf einem Karren aus der Stadt schafften – und das alles binnen eines Tages oder, wenn sie mit der Frühausgabe anfingen, eines Nachmittags.“

Maginn und Hodges scheinen die Vorbilder deutscher Journalisten zu sein – und das nicht nur im so genannten Boulevard. Angst schüren statt informieren, Panik verbreiten statt zugeben, dass man selbst nichts oder kaum etwas weiß, Hass und Paranoia anfachen, das ist Journalismus 05. Dabei gehört es doch zum Basiswissen, dass jeder Staat, der seine Bürger kontrollieren, ausforschen, überwachen und gängeln will, zur Begründung traditionell stets eine stark gefährdete Sicherheitslage ins Feld führt. Kollektive Sicherheit ist der Klassiker, der in Anschlag gebracht wird, wenn es gilt, individuelle Rechte zu beschneiden oder aufzuheben.

Der kluge Kollege Navid Kermani hat nach den Londoner Anschlägen darauf hingewiesen, dass eine vollständig unklare Informationslage kaum jemanden davon abhält, die Schuldigen schon mal prophylaktisch zu benennen: Die Muslime sind’s gewesen, und Differenzierungen sind ein Luxus, den man sich in so schweren Zeiten eben nicht mehr leisten kann, basta. Der Ruf nach Notstandsgesetzen wird laut, und die Bürger, die doch zumindest ahnen könnten, dass solche Begehren sie nicht schützen, sondern ihnen nur zur Drangsal werden können, geben unter dem Dauerfeuer öffentlicher Angstmache nach.

Die Bundesrepublik hat noch kein Attentat islamistischer Attentäter auszustehen gehabt – manche Politiker und Journalisten scheint das regelrecht zu wurmen. Vertreter der CDU träumen schon öffentlich davon, die Bundeswehr auch im Innern einsetzen zu können. Das gute alte Grundgesetz, verabschiedet von Leuten, die ein Terrorregime hautnah erlebt hatten, spielt zur Freude der Sicherheitsfanatiker dann keine Rolle mehr.

Sehr gern bin ich unversehrt und am Leben – und genau deshalb perlen die plumpen Versuche an mir ab, mich zu einem vor Terrorismusangst schlotternden, nach einem starken Staat schreienden, unmündigen Wesen degradieren zu lassen. Ich möchte nicht auf die Weltanschauung von Innenministern, Polizeipräsidenten und Bild-Chefredakteuren heruntergerissen werden.

Was den Terror angeht, reicht mir der, dem ich ausgesetzt bin. Ihn verursacht in der Nachbarschaft eine zu Thyssen-Krupp gehörende Gerüstbaufirma, die auf den zutreffenden Namen „Peiniger Rö Ro“ hört und, wie könnte es anders sein, in Brandenburg ansässig ist. Einem Staat aber, der mich vom sehr frühen Morgen bis zum späten Nachmittag dem akustischen und ästhetischen Terror von Herren aussetzt, die vom Leben mit allem Grund der Firma „Peiniger Rö Ro“ zugeschlagen wurden, würde ich niemals mein Leben und meine Sicherheit anvertrauen.