taz-olympiakrimi: im schatten der ringe: Kapitel 10: In dem Wayne Bruce mörderisch träumt
Tägliche Dosis Kupferkopfottern
Was bisher geschah: Eine überaus feurige Spur führt Chefermittler Wayne Bruce in ein afrikanisches Restaurant, dessen Name auf einer Streichholzschachtel stand, die sich im Besitz des ermordeten Samuel Kiwabaki befand, Bruder des ebenfalls ermordeten IOC-Mitgliedes Thomas Kiwabaki.
„Natürlich erinnere ich mich an den Mann“, erklärte der Kellner, als ihm Samuel Kiwabaki von Bruce beschrieben wurde, „wir haben nicht oft Afrikaner hier.“ – „War er allein?“, mischte sich Kriminalassistentin Catherine Wade ein. „Oh nein, dieser komische Typ war bei ihm, der nie Trinkgeld gibt.“ Wayne Bruce konnte sein Glück kaum fassen, und wie er gehofft hatte, stimmte die Beschreibung des Kellners mit jener überein, die Samuel Kiwabaki von dem falschen Polizisten gegeben hatte, dem er törichterweise den verdächtigen Koffer seines Bruders überreicht hatte. Wie es schien, wohnte der Typ irgendwo in der Nähe des Le Kilimanjaro. Der Kellner erklärte sich bereit, am nächsten Tag vorbeizukommen, um eine Phantomzeichnung anfertigen zu lassen. Mit der würde Bruce seine Leute auf Tour durch Newtown schicken. Das Rumsitzen auf dem Revier hatte vorerst ein Ende.
Nachdem er Catherine Wade zu ihrem schmucken Heim im noblen Vorort Hunters Hill gefahren hatte – ihr verrückter Ehemann Pat verdiente mit irgendwas, das Bruce nie ganz verstanden hatte, ein Schweinegeld –, kurvte er beschwingt nach Hause, um sich seine tägliche Dosis TV-Olympia und weitere bisher unbekannte Einblicke in die australische Volksseele abzuholen. In Aussieland zum Beispiel wohnte nicht nur das einzige Volk der Erde, das noch Luftgitarre spielte, sondern auch jenes, das seinen Sportteams die putzigsten und harmlosesten Namen verpasste. Wer seine Fußballerinnen zum Beispiel Matildas taufte, musste sich nicht wundern, wenn sie furios untergingen. Hätte die Titanic Matilda geheißen, wäre sie vermutlich schon im Hafen von Southampton gesunken. Nicht viel besser waren Hockeyroos für die Hockeyspielerinnen, Kookaburras für deren Kollegen, Olyroos für die Fußballer oder Opals für die Basketballerinnen. Von vornherein verdammt auch deren männliches Pendant, die Boomers. Man stelle sich vor: Chicago Boomers. Die hätten auch mit zehn Michael Jordans keinen NBA-Titel gewonnen. Aber was soll man schon tun, wenn man keine gefährlichen, majestätischen Tiere als Namenspaten zur Verfügung hatte wie die afrikanischen Fußballer etwa. Nicht, dass es in Australien an gefährlichen Tieren mangeln würde, aber basketballernde Rotrückenspinnen, kickende Seewespen oder hockeyspielende Kupferkopfottern wären wohl auch keine Lösung.
Derartige kulturphilosophische Betrachtungen waren noch ermüdender als „The Dream“, die allnächtliche Olympia-Show zweier abgehalfterter Kabarettisten, die sich mit lauen Scherzen über Gewichtheberinnen, Dressurreiter und Neuseeländer durch die Sendung hangelten. Schon jetzt war abzusehen, was sich Roy und H.G. in der zweiten Olympiawoche vornehmen würden: Synchronschwimmen, Ringen und Neuseeländer. Irgendwann in der Nacht wachte Bruce im Fernsehsessel auf, schleppte sich ins Bett und träumte, er hätte den Mörder gefunden. Leider konnte er sich am Morgen nicht mehr erinnern, wer es war.
Die nächsten beiden Tage verliefen ereignislos, abgesehen davon, dass Inspektor Persini abgestellt war, um das Phantom im Fall Perec zu jagen. Als er wiederkam, war er hellauf begeistert von der Perfidie australischer Hoteliers. „Die Aussicht aus ihrem Fenster hättet ihr sehen sollen, genau auf die 400 Quadratmeter große Cathy Freeman auf der Hauswand gegenüber.“ Persini meinte ohnehin, dass der Eindringling in der Suite der französischen 400-m-Läuferin kein anderer als IOC-Vize Kevan Gosper gewesen sei, aber der Staatsanwalt weigere sich, einen Haftbefehl auszustellen. „Die stecken doch alle unter einer Decke mit dem IOC“, schimpfte Olympiahasser Persini.
Bevor Bruce antworten konnte, klingelte freudvoll das Telefon. John Wong war in Newtown fündig geworden. MATTI LIESKE
Fortsetzung morgen
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