taz-ethikrat : Nur mit Takt- und Zeitgefühl
Wie lange darf man einem sogenannten Modetrend folgen, ohne als NachmacherIn zu gelten – oder gar als modisch up to date?
Noch hat sich dieses Accessoire nicht flächendeckend durchsetzen können. Crogs, der aus den 70ern als Fußbekleidung bekannte Holzschuh, jetzt aus Kunststoff, sind jedoch im Straßenbild nicht mehr zu übersehen – und neulich teilte eine Leserin mit, sie habe solch ein Paar, bei dem sie sich für ein absolut indezentes Froschgrün entschied, bereits vor anderthalb Jahren in Montreal erworben. Und ein Leser gab zu, mit feinem Überlegenheitsgefühl über deutsches Metropolenpflaster zu laufen, weil er die seinen in Himbeerrot auf einem Stop-over, von Australien kommend, in Kuala Lumpur im Duty-free-Shop kaufte.
Dieser Mann weiß, dass für ihn alle, die jetzt auch diese Crogs haben möchten, nur noch Nachmacher, Kopisten von hierzulande distinktiv absolut Fast-Einmaligem sind. Aber so ist der Lauf der Dinge: In den 90ern hatte ein Kind ein Tamagotchi, also hatten es in Bälde – weil kein Schulklassenzimmer ohne geschmacksdiktatorische Aufladung – fast alle. So wie in den mittleren 80ern alle Männer kirschrote Schals trugen. Oder die Jeans zum Allerweltszeichen wurde, schon in den frühen 70ern, woraus die Uniform aller Irgendwie-Lässigen wurde. Ohrschmuck, der entfernt an komplizierte Skulpturen erinnert, frei schwingend zu sein scheint, hat sich nur bei Psychoanalytikerinnen durchsetzen können – und die vermögen vieles, aber gewiss weder einen Trend zu setzen noch ihn zu befeuern.
Im Hinblick auf die Crogs aber steht fest, dass ihr modischer Triumphzug noch ein Jahr dauern wird – insofern ist jedeR, der oder die sich ein solches Paar kauft, noch im Fahrwasser des Fastavantgardistischen. Sie dürfen noch sagen: Nein, nein, mit Mode hat das nix zu tun, sind nur tierisch bequem. Davon abgesehen, dass prinzipiell alles Fashion sein kann und deshalb eine solche Rede immer auch wie eine Ausrede klingt, ist der Satz moralisch integer: Wer gegen alle übliche Schuhästhetik Quietschbuntes trägt, muss mutig sein. Das ist wie mit den Flip-Flops vor einigen Jahren: Anders als schlichte Sportschuhe haben sie es nie zum Signum alternativer Machteroberung gebracht (Joschka Fischer bei der Vereidigung vor einem Vierteljahrhundert im hessischen Parlament!), aber zu Popularität selbst an bauernbreiten Füßen in gehobener Gastronomie allenthalben. Crogs dürfen also noch gekauft werden. Vom Sommer 2008 aber an ist alles nur noch Nachmache – und albern. Es sei denn, das sei Ihnen einerlei. Und das ist: Auch gut!