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Archiv-Artikel

taz-adventskalender (14): Plastetür zu Schinkels Bauakademie Ein bisschen irre

Stehen Sie auf fade Schokotäfelchen? Wir auch nicht. Die Türen des taz-Adventskalenders verbergen anderes: geheime Schätze und wilde Tiere. Sex and Crime. Letzte Dinge. Bis Weihnachten öffnen wir täglich eine Tür – auf einem Kalender namens Berlin.

Um es gleich vorwegzunehmen: Wir befinden uns nicht vor der „Schinkelklause“, jener lustigen DDR-Kneipe in der Oberwallstraße. Dort fand von den beiden Eingangstoren der 1962 abgerissenen Bauakademie die rechte Tür eine merkwürdige Zweitverwertung. Den Fassadenschmuck, die Terrakotten und jene Tür hatten die Ostoberen damals eingemottet, als im Rahmen der „sozialistischen Umgestaltung des Stadtzentrums“ die Entscheidung für den Abriss von Schinkels Meisterwerk und den Bau des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten gefallen war.

Im Protokoll des „Leitungskollektivs zum Aufbau des Stadtzentrums“ heißt es zwar noch, dass weitere „wertvolle Teile“ des Gebäudes „zu bergen sind“ für einen späteren Wiederaufbau an anderer Stelle. Passiert ist das nicht – bis auf jene Schinkelklausen-Tür.

Unsere hier besteht aus Plaste und Elaste. Rot umrandet ist sie wie das Original, mit nachgebildeten Terrakottatafeln, die die Geschichte der Baukunst nacherzählen – samt jener Metalltür und den acht Köpfen berühmter Architekten. Plastearchitekten. Aus Plaste, weil wir uns auf jenem Platz befinden, wo schon immer gern die Architekturen weggesprengt wurden: 1950 das Stadtschloss, 1962 die Bauakademie, danach die Paläste Preußens bis hinüber zum Roten Rathaus und 1995 das junge Außenministerium der DDR. Seither wird auf dem Lieblingssprengplatz Berlins vorzugsweise mit Plaste gearbeitet – siehe Stadtschlossplastikfassade.

In diesem Jahr errichtete die Stiftung Internationale Bauakademie ein Gleiches, soll doch in den kommenden Jahren gebaut werden. Man sammelt Geld, hat bereits eine Ecke von Steinmetzgesellen richtig hochziehen lassen, und der erste Präsident der neuen Bauakademie in spe, der jüngst verstorbene Architekt Josef Paul Kleihues, trommelte Gott und die Welt für sein großes Vorbild in Plaste zusammen.

Das steht nun so da, und seither sieht man vor Karl Friedrich Schinkels so genanntem „Roten Kasten“ unter anderen knipsende Japaner stehen, die fragen: „Wann kommt der Palast der Lepublik in Plaste?“ Vielleicht, wenn die 1831 erbaute Bauakademie rekonstruiert sein wird, könnte man antworten. Oder auch nicht. Jedenfalls ist Plastik hier das falsche Mittel, an Schinkels wohl revolutionärsten Bau zu erinnern.

Erinnern wir uns an das Original: Quadratisch, seriell aus Backstein gefertigt, mit drei Geschossen, ja fast sachlich-modern war die Bauakademie Preußens. Ein lässig mit leichtem Schmuck verziertes Wunderwerk der Baukunst, hinter dessen Türen einst Archive, Zeichensäle, Amtsstuben der Oberbaudirektion, sogar Einkaufsläden und Schinkels Wohnung lagen – Public Private Partnership samt der berühmten Berliner Mischung 1831!

Apropos Plaste und Elaste. Niemand in der Stadt hat – anders als beim Schloss – was dagegen, das Haus wieder aufzubauen. Selbst über seine Nutzung gibt es keinen Streit, hat doch Berlin ein Architetekturmuseum und -zentrum bitter nötig. Jetzt so zu tun, als wäre man das Stadtschloss und alles was damit zusammenhängt, kommt so gut wie der Versuch, durch die Plastetür gehen zu wollen. Das ist ein wenig irre. ROLF LAUTENSCHLÄGER

Morgen: Tresortür der Commerzbank