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taz-Serie (Über)Leben in Berlin (Teil 11)"Arbeit gehört zu meinem Leben"

Stefan P. arbeitet als Industriemechaniker bei Daimler. Er mag das Handwerkliche an seinem Beruf, Spät- und Nachtschichten machen ihm nichts aus.

"Ich könnte nicht sieben Stunden lang zu Hause sitzen und nichts tun." Bild: Eleonore Roedel
Interview von Magdalena Schmude

Wie heißen Sie?

Das möchte ich nicht sagen. Nennen Sie mich Stefan P.

Seit wann leben Sie in Berlin?

Seit meiner Geburt. Ich bin jetzt 24 Jahre alt.

Würden Sie gerne woanders wohnen?

Nein. Ich bin hier aufgewachsen und finde es schön hier. Vor allem die Ecke, in der ich wohne. Die Nähe zur Arbeit ist optimal.

Wo arbeiten Sie?

Ich arbeite als Maschinenbediener bei der Daimler AG in Marienfelde. Gelernt habe ich Industriemechaniker.

Wie sind Sie zu Ihrem jetzigen Job gekommen?

Ich habe ein Praktikum und nach der mittleren Reife dann die Ausbildung bei Daimler gemacht, anschließend bin ich in der Firma geblieben. Zuerst habe ich am Band gearbeitet. Zu der Zeit war das die einzige Möglichkeit, übernommen zu werden. Alle wurden in die Montage gesteckt, weil da Bedarf war. Ich war damit unzufrieden, wäre aber wegen der Arbeitsplatzsicherheit geblieben. Nach zwei Jahren gab es dann interne Stellenausschreibungen, ich habe mich beworben und bin jetzt seit neun Monaten als Maschinenbediener in meiner Abteilung.

Haben Sie einen Arbeitsvertrag?

Ja, ich bin fest angestellt.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag in der Fabrik aus?

Ich arbeite im Schichtdienst. Das wechselt jede Woche zwischen Früh-, Spät- und Nachtschicht. In der Frühschicht fange ich morgens um sechs an. Ich habe einen festen Arbeitsbereich in der Fertigung und überwache vier Maschinen.

Welche Tätigkeiten verrichten Sie?

Das Berufsfeld

Früher hießen

Industriemechaniker „Maschinenschlosser“.

Sie arbeiten hauptsächlich

in der industriellen Produktion,

überwachen automatisierte

Prozesse und halten die entsprechenden

Maschinen instand.

In Berlin gibt es laut IGMetall etwa

12.000 Industriemechaniker. Die

meisten arbeiten in der Metallund

Elektroindustrie, aber auch in

der chemischen Industrie oder im

Handwerk. Der Beruf ist eine klare

Männerdomäne: 2010 befanden

sich in Berlin 741 Jugendliche in der

dreieinhalbjährigen Ausbildung,

darunter nur 39 Frauen.

Der Fahrzeugbau

ist in Berlin die viertgrößte Branche

des verarbeitendenGewerbes.

Nach Angaben der Industrie- und

Handelskammer arbeiten rund

8.500Menschen in diesem Bereich.

Größter Arbeitgeber ist die

Daimler AG mit etwa 6.000 Angestellten

in den Werken Marienfelde

und Ludwigsfelde. Auch BMW

produziert in Berlin, darüber hinaus

gibt es eine Vielzahl kleiner

Zulieferbetriebe.

Ich kontrolliere eigenverantwortlich die Maschinen. Mache Qualitätssicherung, nehme Teile vom Band und überprüfe die. Ich quittiere Störungen und mache eventuell Reparaturen an den Maschinen. Und einmal pro Stunde schreibe ich die Stückzahl auf.

Ist Ihre Arbeit körperlich oder geistig anstrengend?

Beides. Wenn man ruhige Tage hat, ist es eher geistig anstrengend, weil man sich wach halten muss. Aber wenn die Kacke am Dampfen ist, muss man richtig rennen. Das ist dann auch körperlich anstrengend.

Fühlen Sie sich nach der Arbeit erschöpft?

Eher wenig. Wenn, dann ist es eine zufriedene Erschöpfung.

Was mögen Sie an Ihrer Arbeit?

Dass ich die Gelegenheit habe, an der Maschine im Dreck zu liegen. Öl, Wasser, Schmierstoffe. Wenn was defekt ist, muss man rein in die Maschine, um Kabel oder Schläuche nachzuziehen.

Was mögen Sie nicht?

Nichts.

Wo in der Hierarchie im Unternehmen stehen Sie?

Als Arbeiter eigentlich unten. Ich bin ja in keiner Hinsicht weisungsbefugt. Über mir kommen noch der Meister und der Abteilungsleiter. Aber ich arbeite eigenverantwortlich.

Wer kontrolliert Sie?

Mein Meister. Wenn was passiert, kommt der vorbei und fragt nach. Ansonsten sagt er nur Guten Morgen.

Was passiert, wenn Sie Fehler machen?

Dann wird analysiert, warum der Fehler passiert ist. Wenn bei uns auf der Linie etwas schiefgeht, ziehen wir einzelne fehlerhafte Teile raus. Wenn dagegen erst nach der Auslieferung gemerkt wird, das was nicht in Ordnung ist, muss die ganze Lieferung aussortiert werden.

Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Arbeit ausreichend wertgeschätzt wird?

Ja. Von Kollegen, mit denen man sich nach einer guten Schicht abklatscht. Oder vom Meister, der dann mal sagt: „Du machst gute Arbeit.“

Wie viele Stunden am Tag arbeiten Sie?

Siebeneinhalb Stunden.

Arbeiten Sie nachts oder am Wochenende?

Ja, wenn ich Nachtschicht habe. Die geht von 22 bis 6 Uhr. Das Wochenende ist frei.

Wie viel bekommen Sie für Ihre Arbeit pro Stunde oder Monat bezahlt?

Pro Monat etwa 1.600 Euro netto, dazu die Schichtzulagen. Für die Spätschicht gibt es 12 Prozent Zuschlag, für die Nachtschicht 15 Prozent. Insgesamt bekomme ich zwischen 1.800 und 1.900 Euro.

Fühlen Sie sich angemessen bezahlt?

Aktuell eigentlich nicht. Ich bin immer noch so eingestuft wie vor meinem Wechsel in die Fertigung, obwohl mir eine höhere Entgeltgruppe zusteht. Wenn ich sehe, was meine Kollegen bekommen, die die gleiche Arbeit tun, dann möchte ich das auch. Dann wäre die Bezahlung in Ordnung.

Mit wem konkurrieren Sie am Arbeitsplatz?

Intern mit niemandem. Wir sind ein Team. Daimler konkurriert natürlich mit anderen Firmen, aber das ist nicht mein Kummer. Ich kümmere mich nicht um die Verkaufszahlen, sondern darum, dass die Teile vom Band runtergehen.

Und mit wem kooperieren Sie?

Mit den anderen Maschinenführern in meiner Abteilung. Wenn weiter vorne in der Fertigung was schiefläuft, wird das Problem nach hinten durchgereicht, und dann helfen auch die Leute von vorne, wenn es hinten zu viel wird.

Haben Sie schon einmal gestreikt?

Ja, während der Ausbildung. Es gab einen Warnstreik, aber das waren nur ein paar Stunden.

Wie viele Pausen und Überstunden machen Sie?

Im Monat arbeite ich ungefähr 15 Stunden zusätzlich. Pause haben wir 45 Minuten am Tag. Die halten wir auch ziemlich genau ein. Eine kurze Pause zum Frühstück um acht und dann eine halbe Stunde Mittagspause um zwölf. Das verschiebt sich nur, wenn es gerade Probleme mit den Maschinen gibt.

Wie viel Urlaubstage stehen Ihnen zu?

Dreißig. Gesetzlich vorgeschrieben sind 24 Tage, aber jeder Betrieb, der gewerkschaftlich organisiert ist, hat dreißig Tage.

Sind Arbeit und Freizeit klar getrennt?

Ja.

Welche anderen Aufgaben haben Sie außer der eigentlichen Arbeit?

Ich bin für die IG Metall Vertrauensmann in meiner Abteilung. Das bedeutet, dass Kollegen auf mich zukommen und auf Probleme ansprechen können, die ich an den Betriebsrat weiterleite. Dafür verwende ich etwa zwei Stunden in der Woche, meist direkt nach der Arbeit für Sitzungen.

Was würden Sie gerne machen, was Sie sich aus zeitlichen Gründen aber nicht leisten können?

Vielleicht mehr Urlaub machen, verreisen.

Wie viel Geld haben Sie im Monat zur Verfügung?

Das, was ich verdiene.

Wer lebt von diesem Geld?

Meine Freundin und ich. Sie macht eine Ausbildung und verdient auch.

Für welche Dinge geben Sie das Geld aus?

Fürs Auto. Für die Wohnung. Und dann für alles, was Spaß macht. Freizeit, Hobbys. Ich habe ein Motorrad und bastele da gerne dran herum. Oder ich spiele Computer.

Wie viel Geld bräuchten Sie, um gut über die Runden zu kommen?

Das kann ich nicht sagen. Mal mehr, mal weniger. Ich komme zurecht.

Haben Sie Rücklagen?

Ja.

Sparen Sie Geld?

Ja. Ich habe ein Sparbuch. Und dann noch ein paar Aktien von der Telekom. Die haben meine Eltern mal gekauft und mir übertragen.

Reden Sie mit Freunden über Geld?

Nein. Ich finde, das ist ein privates Thema, das keinen etwas angeht. Da gibt es auch Neid. Man hört immer: „Ach, bei Daimler, da verdienste ja …“ – „Wenn de meinst …“, sag ich dann immer – und das war’s dann.

Wer leiht Ihnen Geld, wenn Sie etwas brauchen?

Meine Eltern.

Was hätten Sie gerne, was Sie sich aus finanziellen Gründen nicht leisten können?

Da müsste ich schon sehr hoch greifen. Ein Boot vielleicht oder so was.

Wo wohnen Sie und mit wem?

Ich wohne mit meiner Freundin in einer eigenen Wohnung im Haus meiner Eltern in Marienfelde. Wir haben zu zweit drei Zimmer, ungefähr 80 Quadratmeter.

Möchten Sie gerne woanders wohnen?

Nein. es ist schön hier.

Wer macht den Haushalt?

Wir teilen das. Ich mache das Abendessen für mich und meine Freundin, und am Freitag putzen wir gemeinsam die Wohnung.

Haben Sie Kinder?

Nein.

Hätten Sie gerne welche?

Ja. Aber das hat Zeit, ich bin ja noch jung.

Können Sie Familie und Beruf vereinbaren?

Durch den Schichtdienst nur bedingt. Wenn man Früh- oder Nachtschicht hat, sieht man seine Kinder schon. Bei Spätschicht von 14 bis 22 Uhr hat man von der Familie gar nichts.

Wie viel schlafen Sie?

Sechs bis sieben Stunden. Das reicht mir. Ich kann auch gut schlafen, wenn ich von der Nachtschicht komme.

Wann sind Sie zuletzt krank gewesen?

Vor zwei Jahren. Ich habe eine gute Konstitution.

Wer kümmert sich um Sie, wenn Sie krank sind?

Meine Familie und meine Freundin.

Fühlen Sie sich manchmal gestresst?

Als ich vor neun Monaten neu in die Abteilung kam, ging mir nach der Arbeit immer eine Menge durch den Kopf. Als ich dann wusste, wie alles läuft, konnte ich aber schnell abschalten. Wenn ich jetzt ausstemple, ist die Arbeit abgehakt. Mich beschäftigt eher die Arbeit für die IG Metall, das Soziale.

Was macht Sie krank?

In der Halle, in der ich arbeite, ist es laut und die Luft ist schlecht durch die Öldämpfe. Das ist wahrscheinlich ein schleichender Prozess, und mit sechzig merkt man, wie verölt die Lunge ist. Wir tragen Gehörschutz und Schutzbrille, aber gegen die feinen Dämpfe kann man nichts machen.

Haben Sie Angst vor Arbeitslosigkeit?

Die Angst hat prinzipiell jeder, glaube ich. Aber wir sind bei Daimler sehr gut abgesichert. Der Gesamtbetriebsrat hat erreicht, dass es bis 2020 Arbeitssicherheit gibt. Und bevor dieser Kündigungsschutz ausläuft, wird es neue Verhandlungen geben.

Machen Sie sich Gedanken über Ihren Lebenslauf?

Im Moment nicht. Zu Beginn der Ausbildung habe ich mir überlegt, irgendwann noch den Meister zu machen oder die Technikerschule. Aber wenn ich sehe, welche Aufgaben bei uns der Meister hat, dann entspricht das eigentlich nicht mehr meiner Vorstellung davon, was ich machen möchte.

Können Sie sich vorstellen, nicht zu arbeiten?

Nein. Ich könnte nicht sieben Stunden lang zu Hause sitzen und nichts tun. Ich würde auch für 200 Euro im Monat arbeiten gehen. Arbeit gehört zu meinem Leben, ich bin so erzogen worden.

Wie würden Sie die soziale Schicht bezeichnen, aus der Sie stammen?

Als Mittelschicht.

Haben Sie schon einmal Diskriminierung erfahren?

Nein.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Genau hier, wo ich jetzt bin, nur mit mehr Geld. Ich gucke, was auf mich zukommt. Es gibt die Option, Fertigungsfachkraft zu werden, sozusagen die rechte Hand vom Meister. Da ist man noch aktiv in der Fertigung beteiligt, weiß aber auch, wie die Planung funktioniert. In die Position rutscht man aber meist nach. Außer Fertigkeit und Wissen braucht man also auch genügend Sitzfleisch.

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