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taz-Leser zur Erwerbslosenpolitik der SPDWas ist Arbeit, was ist Faulheit?

betr.: „Ein Gespenst wird gejagt“, taz vom 19. 4. 01

Immer, wenn gegen die Arbeitslosen gehetzt wurde – willkommenes Projektionsbild eines quasi-paradiesischen Dauerurlaubszustands für alle „Malocher“, denen ihr Boss ein unangreifbarer Feind ist – folgt auf den Fuß die Einschränkung: „Nein, die armen Arbeitslosen, die arbeiten wollen und keine Stelle finden, die meine ich doch gar nicht. Die, die nicht arbeiten wollen, die meinte ich.“ Es gebe, so die Behauptung, kein Recht auf Faulheit. Unausgesprochen dabei: auf Kosten der anderen. Nur, gibt es die überhaupt, die glücklichen Faulen? Nichtstuer aus freier Entscheidung? Ich bezweifle diese Kernannahme. Stattdessen möchte ich den Personenkreis, den diese Kategorie der „Faulen“ eingrenzen will, in zwei grobe Klassen einteilen:

Erstens diejenigen, die trotz einiger Bemühungen mehrfach daran scheiterten, eine Art von Arbeit für sich zu finden, die ihnen gesellschaftliche Anerkennung und soziale Integration verschaffen könnte. Schrittweise zogen sie sich zurück und leiden an mehr oder weniger gravierenden psychosozialen Depressionen bis hin zu selbstzerstörerischem Suchtverhalten oder Schlimmerem.

Zweitens diejenigen, die zwar Betätigungsformen – künstlerisch-kreative, gemeinnützig sozial engagierte, bildungspolitische oder langzeitstudentische – für sich gefunden haben, die ihnen soziale Kontakte, Inner Circles genau wie tägliche geistige Rekreation verschaffen können, nur eben leider nicht genug Geldmittel. Ja, was erschwerend hinzukommt, diese Leute „arbeiten“ bisweilen so viel, dass sie eigentlich gar keine Zeit zum Arbeiten im herkömmlichen Sinn haben oder ihnen zumindest die Motivation zur konventionellen Arbeitssuche abgeht.

[...] Quasi zwischen oder vielleicht quer zu den beiden „Faulheits-„Kategorien liegt eine dritte: Die un- oder maßlos unterbezahlten und nichtsdestrotrotz Zeit verschlingenden Tätigkeiten im Bereich der Kindererziehung oder allgemein allem, was den zugewandten oder liebevollen Umgang mit Kindern betrifft. Vielleicht trifft’s diesen Bereich am ungerechtesten, weil sich der spielerische Charakter des kindlichen Zeitvertreibs auf die (Wahl-)Mütter und (Wahl-)Väter zu übertragen scheint und überhaupt die Familie immer noch als Inbegriff des persönlichen Glücks gehandelt wird.

Fazit: Die, die mit dem Finger auf die „Faulen“ zeigen, sind verzweifelt ob ihrer eigenen Unfähigkeit zum Glücklichsein, oder sie sind maßlos sadistisch, indem sie den vermeintlichen Faulen nicht einmal das gönnen, was sie ohnehin nicht haben.

ROBERT HAGEN, Berlin

betr.: „Mit MoZArT gegen Arbeitslosigkeit“, „Vom Erwerbslosen zum Schmarotzer“, taz vom 25. 4. 01

Die Pläne von Minister Riester zielen, wie im Kommentar von Ulrike Herrmann treffend bemerkt, auf eine Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Richtig ist auch, dass diese Pläne alten Forderungen der CDU/CSU entsprechen. Auch die Grünen freilich forderten in ihrem Bundestagswahlprogramm die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zugunsten einer Grundsicherung. Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe sollen nach den Vorstellungen der Grünen durch eine bedarfsorientierte Grundsicherung ersetzt werden. Die Grundsicherung ist offenbar in weiter Ferne – was bleibt, ist die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zu Gunsten einer allenfalls pauschalierten Sozialhilfe.

Dass dies für Arbeitslose mit einschneidenen Verschlechterungen verbunden ist, liegt auf der Hand: Etwa werden bei der Arbeitslosenhilfe weiter Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet (freilich in einem von Rot-Grün deutlich reduzierten Umfang). Auch wird jeder arbeitslose Akademiker, der mit einer ABM-Stelle nach dem Studium erst einen Anspruch auf Arbeitslosengeld und dann auf Arbeitslosenhilfe erworben hat, schnell feststellen, welchen Unterschied diese Angleichung in seinen Geldbeutel ausmacht: bis zu mehreren hundert Mark monatlich.

Aus diesem Grund wird die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe sowohl von Gewerkschaften als auch vom Diakonischen Werk oder der Caritas abgelehnt. Und die Grünen im Bundestag? Werden sie trotz der nicht absehbaren Grundsicherung die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ebenso als „alternativlos“ akzeptieren wie die bisherigen Kürzungen der Arbeitslosenhilfe? [...]

WILHELM ACHENPÖHLER, Münster

Schröder und seine „Partei des kleineren Übels“ (Tucholsky) können doch kein echtes Interesse an einer wirksamen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit haben. Bekanntlich entwickeln sich die Aktienkurse proportional zur Entwicklung der Arbeitslosenquote. Die Gunst der Wähler braucht ein Kanzler nur alle paar Jahre. Aber sich täglich im Lob der Unternehmer zu sonnen, ist dem Auto-Kanzler schon so unentbehrlich wie die 80-Dollar-Zigarren. [...]

HARALD PAPENFUSS, Erfurt

[...] Eine Regierung, die mit immer stärkerem Druck Menschen in die Armut treibt und gleichzeitig die so genannten Besserverdienenden nicht antastet, handelt kriminell, menschenverachtend und zynisch. Wer als Politiker vor denen zurückweicht, die über gesellschaftliche Macht verfügen, wer sich stattdessen an den Schwächeren vergreift, der gleicht strukturell jenen Gewalttätern, die auf Obdachlose und Ausländer einprügeln oder sie gar zu Tode treten. KLAUS BAUM, Hemme

[...] Es geht bei diesem Projekt nur um eins: Das System der sozialen Sicherung wird auf Kosten der Schwächsten weiter untergraben. Mit welcher Unverfrorenheit diese angeblich sozialdemokratische Regierung dabei zu Werke geht, sieht man daran, dass Riester fast zeitgleich den neuesten Armutsbericht vorlegt, der unmissverständlich die soziale Schieflage dieses Landes dokumentiert. Wen wundert es da noch, dass die Opposition jubelt?

HARALD HENKEL, Köln

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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