taz FUTURZWEI-Wahltagebuch #4: Verlobung mit Karl

Der Standardsatz meiner Frau war immer: „Unmöglich, dieser Lauterbach.“ Aber dann änderte sich alles.

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Von PETER UNFRIED

17.08.21 | Alles war wunderbar, von der Pandemie jetzt mal abgesehen, aber auch damit gingen wir unaufgeregt und besonnen um, Freiheit und Sicherheit sorgsam abwägend. Bis meine Frau vor etwa einem Jahr aus heiterem Himmel sagte: „Also der Lauterbach hat ja gar nicht so unrecht.“

Das hätte mich sehr hellhörig machen müssen, denn in den ersten Monaten der Pandemie hatte sie stets unwirsch abgewinkt, wenn der sozialdemokratische Epidemiologe aus Köln im Fernsehen seine Mahnungen ausstellte – und davor sowieso.

„Unmöglich, dieser Lauterbach“, das war immer ihr Standardsatz und gewissermaßen auch unsere gemeinsame Basis und Überzeugung gewesen.

Aber gut. Kann ja mal passieren.

Doch einige Zeit später, ich wollte ihr gerade liebevoll die Welt erklären, da sagte sie plötzlich: „Sei mal ruhig, ich will hören, was Lauterbach sagt.“ War sie früher unwirsch geworden, wenn er in einer Talkshow auftauchte („Schon wieder der“), war es nun andersherum („Was soll das? Da fehlt doch Lauterbach.“)

Karl Lauterbach hat das ganz anders gesagt

Eines Tages konnte ich dann nicht mehr ignorieren, dass sie sich ständig auf Lauterbach bezog und sogar kluge Bemerkungen von mir mit den Worten konterte: „Aber Karl Lauterbach hat das ganz anders gesagt.“

Heute morgen nun, wir waren kaum aufgestanden, sagt sie: „Du wirst nicht glauben, was ich heute geträumt habe.“

Ich so: „Was hast Du denn geträumt?“

Und sie: „Ich habe mich mit Karl verlobt.“

Ich sage noch: „Mit welchem Karl?“

Aber da war es schon zu spät.

Peter Unfried ist Chefredakteur von taz FUTURZWEI. Er schreibt im Wechsel mit Herausgeber Harald Welzer das Wahltagebuch.

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