taz🐾sachen: It’s a long way from Nashville
Die Sonne steht tief, der Staub vom letzten Abend backstage klebt noch an den Cowboy Boots, als ich in die Friedrichstraße einreite, auf einem winzigen Sattel und zwischen noch kleineren Autos (allesamt ohne Ladefläche, what’s wrong with people?). Niemand hat mich auf dem Weg angelächelt, niemand gefragt, wie’s denn so ginge heute Morgen. In der taz rufen alle „welcome back!“, sofort habe ich gute Laune. Aber „hey y’all“ verstehen sie nicht, vom mitgebrachten Probier-Whiskey zum Feierabend wird später die Hälfte übrigbleiben, und ich fühle, wie sich meine Stimmbänder ratlos verknoten. In der Konferenz starre ich in den kalten blauen Himmel. „Hast du den Blues?“, fragt eine Kollegin. Dang, und wie.
Zwei Monate lang war ich „The German“ in Music City, erklärte, wer Greta Thunberg ist und warum wir keine Todesstrafe haben. Ich aß fügsam Berge von Fleisch, versuchte, literweise Plastikmüll zu vermeiden, und die düsteren Holzkirchen an den Ecken machten mir Albträume. Erst am Schluss, als ich ohne Helm und Angst auf einer Harley saß und eine Woche lang im Pick-up-Truck (war das Einzige mit Navi) von Alabama bis hoch zum Lake Erie fuhr, durch Nebelberge und Weizenfelder, mit Johnny Cash und Ry Cooder als einziger Gesellschaft, ausgerechnet da war ich plötzlich angekommen.
Als ich abends auf der Leipziger Straße Radfahren übe, blockiert ein Lieferwagen den Weg. Ein vorbeizischender Fahrradkurier brüllt ihm ein herzhaftes „Ficker, ey!“ entgegen, wofür er drüben in mindestens eine Hölle gekommen wäre. Ich muss lachen. Und merke, wie wenig Baustaub und Dieselabgase ich dabei schlucke im Vergleich zum Halbmillionenstädtchen Nashville. It’s schon auch good to be back. Johanna Roth
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