tamtürktür ... – der wahre türke (7):
von BJÖRN BLASCHKE
Kürzlich hub ich an zu schildern, wie einfallsreich die Türken – im Gegensatz zum Rest der Europäer – bei der Wahl ihrer Namen waren, nachdem Kemal Pasa sich selbst hatte Atatürk heißen lassen: „Vater aller Türken“. Um nämlich seine Türkenkinder namentlich unterscheiden zu können und nicht alle Ahmeds durchnummerieren zu müssen, befahl er ihnen per Gesetz 1934, sich einen Nachnamen zu suchen. Schöne Titel wie Bay, Pascha oder Effendi schaffte er dafür ab.
Selbstverständlich waren einige Türken so langweilig, wie nur Schnurrbartträger sein können. Sie meldeten sich bei den Behörden zwar nicht als „Mehmet; Nachname: 1.000“. Vielen Einfaltspinseln war Binbas oder Yüzbas („Tausend Köpfe“ oder „Hundert Köpfe“) aber auch nicht zu blöd. Das verwundert jedoch kaum, wenn man bedenkt, dass die meisten dieser Mehmetci beim Militär eine „Hundert-“ oder eine „Tausendschaft“ kommandierten oder zumindest von einem solchen Rang träumten.
Überhaupt waren damals viele Türken ähnlich schlicht geklöppelt wie der Rest der Menschheit. Sie nannten sich nach dem Beruf, den bereits ihr Baba ausgeübt hatte: Fincancioglu („Sohn des Tassenmachers“), Altindisci („Goldzahnmacher“) oder Lütfenlüften („Glaser“). Ebenso wurden Familiennamen registriert, die für die Herkunft ihrer Träger stehen: Özbek („Usbeke“) oder Türkmen.
Wieder andere wollten sich ihr Leben mit ihrem Namen idyllisch, biotopisch und knuffig gestalten; wollten über Wiesen tollen, im Mondschein prollen, den weißen Wolken winken und den Sternen blinken, in Bergseen planschen, an duftende Rosensträucher flanschen ... – um es weniger verträumt zu machen: Diese Menschen beglückten sich mit schönen Namen: Gülkokusu („Rosenduft“), Güzelgülzembilfros („Schönerosenkorb“) oder Gülistan („Rosenland“); Göl („See“), Gölmidyesi („Teichmuschel“) oder Gölkestanesi („Schwimmende Wassernuss“), Ay („Mond“ – nicht zu verwechseln mit ay-ay, dem „Dreizehnfaultier“) oder Aydinligi („Mondschein“). Neben diesen Feld-, Wald- und Wiesennamen waren Namen aus dem Reich der wilden Tiere ein Renner: Kartal ( „Adler“) oder Bülbül („Nachtigal“), Aslan („Löwenmännchen“) oder eben die Damenvariante Disi Aslan („Löwenweibchen“). Es gab jedoch auch Türken, die damals nach Außergewöhnlichem strebten: Einige nannten sich Sahmerdan („Rammbär“) oder Siracaotugiller („Rachenblütler“).
Einige wenige Türken sollen sich sogar Meferrülkelbiye genannt haben – und das, obwohl das nichts anderes heißt als „Hundsbraunwurzgiftgewächse“. Die Nachkommen dieser einfallsreicheren Türken sind nicht nur mit einem Familiennamen geschlagen, den sie vielleicht nie wollten. Sollten sie neben ihrem Nachnamen aber auch die Kreativität ihrer Ahnen geerbt haben, können sie die bei der Suche nach Vornamen für ihre eigenen Kinder austoben. So kenne ich in Istanbul einen jungen Mann, den seine Eltern Eylemcagri genannt haben: „Ruf nach Revolution“. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich demnächst erzählen werde.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen