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Archiv-Artikel

studentenstreiks sind schule fürs leben Für sekundäre Sozialisation

Den StudentInnen von heute wird nachgesagt, sie würden erst dann merken, dass ihre Rechte beschnitten werden, wenn sie vor der verschlossenen Tür ihres abgewickelten Instituts stünden. „Was?“ – „Wieso denn?“ – „Wer hat das veranlasst?“ – „Was muss ich jetzt tun?“

Sorry, aber die Fragen kommen zu spät. Natürlich könnten die dann von der Realität überraschten Studierenden gucken, ob ihr Fach auch in Greifswald, Slubice oder Hohenheim angeboten wird. Vielleicht würden sie dort sogar angenommen und wegen der Wechselei und dem etwaigen zusätzlichen Spracherwerb nur ein Semester verlieren. Sie könnten sich allerdings auch als BürgerInnen begreifen, die an der gesellschaftlichen Meinungsbildung teilhaben wollen. Dazu gehört, dass man seine Meinung öffentlich kundtut, wenn ein Missstand nicht länger akzeptabel erscheint.

Seit Jahren lassen sich die StudentInnen die Studienbedingungen beschneiden: Immer überfülltere Hörsäle, immer weniger Angebote, immer inadäquatere Betreuung. Bisher haben die wenigsten gemerkt, dass es ihr Recht auf eine qualifizierte Ausbildung ist, das da demontiert wird.

Studentenstreiks sind ein legitimes Mittel, dagegen zu protestieren. Vielleicht wird während eines Streiks auch ein Semester verloren, aber wer aktiv mitmacht, gewinnt lebenswichtige Erkenntnisse: Wie schreibe ich ein Flugblatt? Wie verhalte ich mich vor einem Mikrofon? Wie überzeuge ich Andersdenkende? Wie entwickle ich eine Meinung zum politischen Geschehen? Wie nehme ich Einfluss? Welche Rechte habe ich und welche Pflichten impliziert das? Sekundäre Sozialisation wird sowas genannt. Für diesen Lernprozess ein Semester opfern? Auf jeden Fall, denn so lernt man gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.

WALTRAUD SCHWAB