strübel & passig : Mal die Seele um den Hals baumeln lassen
Wussten Sie, dass man aus „Anagramme, alter Hut!“ durch ganz leichtes Schütteln der Buchstaben „Mehrlagen-Traumata“ bauen kann? Ich erwähne das nur, weil ich gestern nächtens, schon in fragwürdigem Zustand, plötzlich der noch fragwürdigeren Tatsache gewahr wurde, dass das Wort „Internetkolumnistin“ anagrammiert „I on umstritten Link“ ergibt.
Das bringt mich, mehr oder weniger, zum Thema. Es ist nämlich so: Während ich zu Hause mit effizienzverschmierten Fingern an der Rekonstruktion des Bruttosozialprodukts („Absturzort Dokupilot“) herumschraube, sitzt Fräulein Passig auf den prächtigsten Inseln herum und preist feuchten Fußes Gottes Graphikkarte („Post-Tragik, gekraeht!“).
Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, wie ich neide. Angesichts eines Workloads allerdings, der vor 2005 kaum nachlassen wird – und in Anbetracht der Tatsache, dass „There's no place like home“ anagrammiert lediglich „Oho! Schlampenkelterei!“ sowie ein beschämendes Rest-E, jedoch keinerlei Hinweis auf günstige Last-Minute-Reisen ergibt –, ist an Fortfahren vorerst nicht zu denken.
Ohne den Schreibtisch zu verlassen, gilt es darum, mich selbst davon zu überzeugen, dass es zu Hause doch am schönsten sey. Schließlich könnte das Leiden bald nur noch durch ein Living at home-Abo zu heilen sein. Unter geschickter Umgehung von Suchbegriffen wie „Urlaub“, „Traumziele“ und „Entspannung pur“ versuche ich, Orte zu ergoogeln, an denen man die Seele allenfalls an einem Strick um den Hals baumeln lassen möchte.
„Das wird mich aufmuntern“, denke ich, als mir die Tour durch das Riverbend-Hochsicherheitsgefängnis (www .state.tn.us/correction/institutions/rmsi tour.html) entgegenfällt. Mehrfach betrachte ich die Zäune der Security Perimeters, um dann einen Blick durch mein eigenes, immerhin unvergittertes Fenster zu werfen. Na bitte.
Den verzweifelten Wunsch meines von Mühsal und Fertiggerichten geschundenen Leibes, sich all-inclusive ins karibische Meer zu stürzen, womöglich unter Anleitung eines schmucken Animateurs, würge ich erfolgreich durch einen Besuch bei der königlich-belgischen Militärakademie (www.rma.ac.be/rma/vir tual-tour/) ab. Animation? Ohne mich!
„Aber es ist so langweilig hier!“ Jault es in mir auf. „Langweilig! I'll show you langweilig!“, kontere ich und zwinge mich, eine Viertelstunde lang dem Mais unter www.iowafarmer.com/corncam/corn.html beim Wachsen zuzuschauen. Als „the Excitement of growing corn“ erste Anzeichen von Hospitalismus provoziert, schließe ich zufrieden den Browser.
Was einem nicht alles widerfahren kann, wenn man sich vor die Tür wagt! Unüberlegter Souvenirkauf www.bison tattoos .com/tattoocam.html! Unangenehme Unterbringung go.to/kippen webcam! Nein, da bleibe ich lieber zu Hause und schaue zu, wie die Farbe von der Wand bröckelt. Am besten bei anderen Leuten: www.sudftw.com/paint cam.htm. Vielleicht lege ich auch ein Blog an, eins mit einer Webcam, die meine Couch beobachtet (www.davidr stone.org/violin/boring_webcam.htm), damit die Welt auch mal was von mir sieht.
Oder ich fahre doch noch weg, irgendwann. Nach Elephant Butte, USA. Vielleicht auch an den Boring Creek. Schließlich ergibt „Oednis, hurra!“ anagrammiert „Order: hinaus!“ IRA STRÜBEL