standbild : Boulevard der Betulichkeit
„Boulevard Bio“ (Dienstag, 23 Uhr, ARD)
Kurz vor Schluss gibt es keine Verrisse mehr, und Alfred Biolek hört bald auf. Mit seiner Nachfolgerin Sandra Maischberger wird ohnehin alles anders. Außerdem hat Bio als „altgedientes Urgestein“ schon so viele Kritik eingesteckt, dass es inzwischen schon origineller zu sein scheint, ihn zu loben. Weshalb schon jetzt die ersten Lobgesänge angestimmt werden: War doch eigentlich immer ganz nett mit unserem Bio, hat immer alle ausreden lassen.
Bevor es so weit kommt, doch noch ein kleiner Verriss. Für alle, die schon seit Jahren finden, der Mann sollte nur mehr privat kochen. Denn ein „Boulevard Bio“ in Zeiten des Krieges hat noch einmal eine ganz andere Qualität. Er kann den Krieg nicht ganz ignorieren, das hat man bestimmt in seiner Redaktion gründlich diskutiert. Also hat er die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen – mit den Bauchbinden „hat sieben Kinder“ und „Tochter von Ernst Albrecht“ – gefragt, wie sie als Mutter den Krieg findet. Frau von der Leyen hat im Rita-Süssmuth-Tonfall ihre Zerrissenheit über den schrecklichen Diktator einerseits und den schrecklichen Krieg andererseits widergegeben – auf Parteischlangenlinie. Puh, war Bio froh, als die Antwort vorbei war. Sein mitfühlendes Gesicht ward sofort gegen das aufmunternde ausgetauscht: „Aber wir wollen jetzt mal über Ihre Familie reden.“ Also, Frau von der Leyen, was für ein Auto fahren Sie denn? Wie viel Milch kaufen Sie denn täglich? Und jedes Mal formen die Lippen noch während der Antwort Laute der Fassungslosigkeit. Dann will Bio über den „Großopa“ der vielen Kinder sprechen. Ursula von der Leyen bleibt doch lieber in der Erwachsenensprache und beharrlich beim „Großvater“. Den Bruder von Ursula hat Biolek vor über 20 Jahren schon interviewt, das wird auch gezeigt. Spätestens da wird klar: Damals haben sich seine Lippen nicht ständig in großem Erstaunen mitbewegt. Und niemand musste rätseln, was das Klavier hinter den Gästen zu suchen hat. Ansonsten kein Unterschied. Bitte, komm, Sandra Maischberger, ganz schnell, schmeiß das Klavier raus und schaue mit deinem ernsthaft interessierten Gesicht den Menschen scharf in die Augen.MAREKE ADEN