staatskanzlei : Ohne Mitte fehlt was
Er hat am Montag sogar eine Mediennacht mit der internationalen WM-Presse sausen lassen: Vor dem Urlaub wollte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) endlich reinen Tisch machen, damit er im südfranzösischen Ferienhaus in Ruhe gelassen wird. Weil das nicht immer so war im ersten Regierungsjahr, weil Rüttgers gerade auf Reisen von Pannen hören musste, hat er gehandelt. Dass er beide Führungskräfte seines Stabes auswechselt, zeigt, wie schlecht es um die Staatskanzlei bestellt ist.
KOMMENTAR VON CHRISTOPH SCHURIAN
Dort fetzen sich eitle, unverhofft zur Macht gekommene Politmanager. Gemobbt wird gegen Dienstwagen, Insider verraten Imagekampagnen. Sie rangeln um Einfluss und Nähe zu ihrem Chef. Zwischen CDU und Regierung tun sich tiefe Gräben auf. Dazu gesellen sich Stockfehler, Kompetenzwirrwarr zwischen neu geschaffenen Ministerien, mangelhafte politische Planung. Kurzum: Dem Hochhaus am Rhein mit dem großen Loch in der Mitte fehlt das organisatorische Zentrum und eine stabile Politik.
Mal setzt sich bei Rüttgers die ökonomische Zwanglosigkeit der FDP durch, mal obsiegt die Arbeiterpartei CDU. Auch die liberale Ablehnung der Großen Koalition und die Unions-Loyalität gegenüber Berlin hemmen das Bündnis am Rhein. Nicht zuletzt ein Problem der Außendarstellung.
Denn warum gelingt es dem FDP-Fraktionsvorsitzenden oder dem Europaminister eher, die Regierungslinie öffentlich zu begründen als dem dafür Verantwortlichen? Ein Medienstaatssekretär und Regierungssprecher der ungern spricht und schon gar nicht mit allen sprechen will, ist eine Fehlbesetzung. Das immerhin kann der neue Regierungssprecher Andreas Krautscheid nur besser machen. Er ist Fachmann für Kommunikation. Genauer: für Telekommunikation. Zuletzt arbeitete er als Lobbyist für den Telekom-Konzern. Und dessen Wohl liegt auch Rüttgers stets am Herzen.