piwik no script img

Archiv-Artikel

spd und dgb im streit Ein Sommer ohne Überraschungen

Es gibt den Spruch von Karl Valentin über politische Rhetorik: „Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem.“ So läuft die Sozialstaatsdiskussion: Jeder darf noch mal, aber man weiß schon, was kommt. Auch mit seinen neuen Vorschlägen hat DGB-Chef Michael Sommer seine bekannte Position bekräftigt: Er lehnt jede Sozialkürzung ab, fordert ein milliardenschweres staatliches Investitionsprogramm und nimmt eine höhere staatliche Neuverschuldung in Kauf. Tja, und morgen kommt der Weihnachtsmann.

Kommentar von BARBARA DRIBBUSCH

So finden DGB und SPD keine gemeinsame Basis. Es stellt sich die Frage, ob der Hickhack zwischen Gewerkschaftsführung und SPD-Kanzler, diese Polarisierung, die beide Seiten unglaubwürdig macht, nicht hätte verhindert werden können. Schröder hat versagt, weil er versäumte, in seiner Agenda 2010 schon im Vorfeld jene Gerechtigkeitsfragen zu beantworten, die ihm jetzt im Nachhinein gestellt werden.

Warum hat der Kanzler den Vorwurf der „sozialen Schieflage“ nicht vorweggenommen und den WählerInnen eine Mischung angeboten? Beispielsweise: erstens eine politische Anstrengung, die Vermögensteuer wiedereinzuführen, die Erbschaftsbesteuerung zu erweitern und die Aktienbesteuerung zu verschärfen. Den Kritikern hätte er damit sagen können: Seht her, ich gehe die Ungleichheiten an! Dann hätte er zweitens auch eher über Beschränkungen beim Arbeitslosengeld oder über eine Auslagerung des Krankengeldes reden können. Drittens hätte er dann auch ein Investitionsprogramm auflegen können mit dem Begleittext: Ich tue was für den Aufschwung und für neue Jobs! So hätte sich Schröder als Reformer und nicht nur als Kürzungskanzler präsentiert. Jetzt aber steht er mit dem Rücken zur Wand.

Schröder muss also Auswege suchen, um vielleicht doch noch als Mischungskanzler durchzugehen: Vielleicht feilt er noch an der Neugestaltung von Arbeitslosengeld und -hilfe, vielleicht denkt er noch mal darüber nach, ob man den Spitzensteuersatz wirklich deutlich absenken muss.

Ein Schritt wäre getan, wenn Gewerkschaften und Kanzler die strittigen Punkte auf den Tisch packten, anstatt wie Sommer den Weihnachtsmann zu spielen oder wie Schröder mit Abdankung zu drohen. Es geht nämlich nicht um Sommer und Schröder. Betroffen von den Sozialreformen sind ganz normale Menschen. Die können weder zurücktreten noch sich selbst Geschenke machen.