spd-krise : Der Tunnel am Ende des Lichts
Mitleid ist ziemlich selten im politischen Geschäft. Man hat es ja mit Verkaufsprofis zu tun, die hart im Nehmen sind – und im Austeilen sowieso. Doch auch dies scheint angesichts des erbarmungswürdigen Zustands der SPD nicht mehr zu gelten. Auf Thomas Mirow, der traurig-tapfer seinen Rücktritt erklärt, und Franz Müntefering, der mit den üblichen Kampfvokabeln das Debakel zu überspielen sucht, schauen wohl nur hartherzige Zeitgenossen mit Häme.
KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE
30 Prozent, hört man aus der SPD, sind doch ein ganz gutes Ergebnis. Und das in Hamburg, wo die Sozialdemokraten jahrzehntelang regierten und die CDU mit dem Polit-Rowdy Schill paktierte. Wer sich selbst so Mut machen muss, braucht keine Gegner mehr. Wer so redet, erklärt sich selbst zum Therapiefall.
Die Hamburgwahl zeigt schlaglichthaft, wie grundlegend die Krise der Schröder-Sozialdemokratie ist. Ihre Baisse ähnelt oberflächlich dem politkonjunkturellen Tief, in das fast jede Bundesregierung nach zwei Jahren rutscht. Doch die SPD-Verluste sind weit größer – wo, wenn nicht in Hamburg, will diese Partei eigentlich dieses Jahr gewinnen? Zudem wenden sich nicht, wie sonst, die Wechselwähler von der SPD ab, sondern die Stammklientel. Und darauf hat die Parteispitze keine Antwort.
In Hamburg ist die Illusion geplatzt, dass der SPD-Sturzflug in einem Vermittlungsproblem gründet. „Vermittlungsproblem“ ist das Zauberwort, mit dem sich Parteistrategen das Rätsel erklären, warum sich das Wahlvolk hartnäckig weigert, Gesundheitsreform und Agenda 2010 für mutige, weitsichtige Politik zu halten. Abhilfe soll der neue SPD-Chef Franz Müntefering schaffen, der sich eher als Schröder auf das Ansprechen der Parteibasis versteht. Hamburg hat gezeigt, dass es nicht reicht, auf sozialdemokratisch zu erläutern, dass die Praxisgebühr nötig ist und der Spitzensteuersatz sinken muss. Die SPD hat kein rhetorisches, sie hat ein inhaltliches Problem. Sie macht eine Politik, die den Interessen weiter Teile ihrer Klientel widerspricht. Und als Begründung dafür erklärt Schröder achselzuckend, dass es keine Alternative gibt.
Die Schröder-SPD wird sich nun an ihre letzte Chance klammern: den Aufschwung, den man als Ergebnis der Sozialreformen verkaufen kann. Augen zu und auf den Aufschwung warten – das ist ihr letzter, blasser Hoffnungsschimmer. Es ist nicht ohne Ironie, dass die aktivistische Schröder-Ära in einer Art Wachkoma zu enden scheint.