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Archiv-Artikel

spanien/irak Am Beginn einer großen Lüge

„Bin Laden hat die Spanier überzeugt“ – so tönte gestern der Hamas-Mitbegründer Mahmud Sahar in der spanischen Tageszeitung El Mundo. Und der radikale irakische Schiitenprediger Muktada al-Sadr rief dazu auf, die Spanier nicht mehr anzugreifen. Doch nicht nur Terroristen verstehen die Entscheidung der neuen Regierung in Madrid als Konsequenz der Attentate von Madrid vom 11. März grundsätzlich falsch. „Spanien ist erpressbar geworden“, sagte auch der spanische konservative Oppositionsführer Mariano Rajoy, als handele es sich beim angekündigten schnellen Abzug der spanischen Truppen um eine Panikreaktion.

KOMMENTARVON HANS GÜNTER KELLNER

Dabei führt der neue spanische Regierungschef Zapatero die spanische Außenpolitik nur zu Grundsätzen zurück, die sie niemals hätte verlassen dürfen – zu einem partnerschaftlichen Verhältnis zu den wichtigsten EU-Ländern sowie zu den arabischen Mittelmeeranrainer-Staaten und Lateinamerika. Sein Amtsvorgänger José María Aznar hatte all diese traditionell guten Beziehungen schon auf den Gefrierpunkt gebracht, bevor er schließlich den Irakkrieg von US-Präsident Bush unterstützte.

Vier Millionen Spanier demonstrierten vor einem Jahr gegen diesen Krieg. 90 Prozent lehnten die damalige spanische Außenpolitik ab. An den Kundgebungen beteiligte sich auch José Luis Rodríguez Zapatero, damals sozialistischer Oppositionsführer. Zapatero kündigte im Wahlkampf und lange vor den Attentaten auf die Madrider S-Bahnen immer wieder an, er werde die spanischen Soldaten „nach Hause holen“.

Nichts deutet darauf hin, dass die USA bereit sind, ihre Truppen im Irak unter UN-Mandat zu stellen. Dies hatte Zapatero jedoch als einzige Voraussetzung bezeichnet, die spanischen Truppen im Irak zu belassen. Es ist insofern nur logisch, wenn er nun die Soldaten abzieht, aber weiter im Weltsicherheitsrat auf eine stärkere Rolle der Vereinten Nationen im Irak drängt.

Nicht nur in Spanien, sondern auch in anderen westlichen Ländern arbeitet eine denkwürdige Allianz von islamistischen Radikalen, konservativen Oppositionellen und linken Antiamerikanisten unverdrossen an der Geburt eines neuen Mythos oder gar einer neuen Lüge. Doch die Ankündigung von Zapatero bedeutet keinen Rückzug vom Kampf gegen den Terrorismus, sondern setzt ein Wahlversprechen zur verantwortlichen Außenpolitik um. Dies ist ein Grund zur Hoffnung.