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Archiv-Artikel

soziale proteste Jetzt bloß nicht zaghaft sein

Zwei Tage nach den Massenprotesten gegen den Sozialabbau vom Wochenende scheint es fast, als seien die Aktivisten zur Tagesordnung übergegangen. Man muss sich beraten, mal schauen, diskutieren, neue Ziele definieren, heißt es von den Organisationen. So sieht eben der mühsame Weg der politschen Ebene aus. Schade wäre, bliebe es dabei.

Kommentar von RICHARD ROTHER

Denn der überraschend starke Protest hat vor allem eines gezeigt: Viele, sehr viele Menschen wollen eine Politik nicht hinnehmen, die den Armen nimmt, um den Reichen zu geben. Auch wenn das modern und alternativlos genannt wird. Das ist ermutigend, und es wird auch die kommenden Spardebatten im Haushaltsnotlageland Berlin verschärfen.

Der Erfolg der Demo nämlich dürfte jenen Auftrieb geben, die sich gegen die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen wehren – sei es durch Lohnkürzungen, Abgabenerhöhungen oder Kita-Schließungen. Mag sein, dass bei solchen Protesten oft die Differenzierung zwischen landes- und bundespolitschen Verantwortlichkeiten durcheinander gerät – notwendig bleibt der Protest dennoch.

Sicher, bei der Gesundheits- und der Arbeitsmarktreform sind die Messen gesungen, da kam der Protest vom Wochenende einfach ein Jahr zu spät. Aber ebenso sicher ist auch: Weitere bundespolitische Einschnitte zu Lasten der breiten Bevölkerung werden bereits diskutiert – sei es das so genannte Kopfpauschalenmodell in der Gesundheitsversicherung, die Aushebelung der Tarifautonomie oder der Vorschlag, für gleiches Geld länger zu arbeiten. Und in Berlin stehen nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts alle Leistungen zur Debatte, die über dem bundesrechtlich vorgeschriebenen Niveau liegen – etwa bei der Kita-Versorgung oder der Sozialhilfe.

In den Tagen nach der Großdemonstration zeigt sich also zweierlei: Konfliktstoff gibt es genug. Und keinen Grund zu falscher Zaghaftigkeit.

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