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Archiv-Artikel

soundtrack

Wenn man das aktuelle zweite Album „Images of Sigrid“ des Pariser Irgendwie-Elektro-irgendwie-Rock-Quintetts Poni Hoax hört, mag man die ungestüme Frische, mit der hier von Glam Rock über New Wave und Synthie-Pop bis zu Italo-Disco alles Mögliche in einen großen Topf aus Referenzen geschmissen wird, der zu erwartenden Jugend der Protagonisten zuschreiben. Statt mit Teenage Angst hat man es indes eher mit Midlife Crisis zu tun. Die Herren sind nicht Anfang zwanzig, sondern gehen allesamt auf die Vierzig zu. Und das fröhliche Abhüpfen aller Genres ist weniger dem Eklektizismus gegenwärtiger Festplatten-Musiksammlungen und exzessivem Youtube-Bookmarking geschuldet, als vielmehr einer profunden Jazzausbildung und traditionellem Bookworming. Im Ergebnis ist das dann nicht nur in jedem Fall tanzbar, sondern sogar für die Ohren nicht uninteressant. Wer auf Konzerten gern laut sein differenziertes Wissen über die Popgeschichte und ihre Stile kundtut, wird Poni Hoax dankbar sein. Do, 12. 3., 20 Uhr, Uebel und Gefährlich, Feldstraße 66 Auch der Jazzpianist Hans Lüdemann interessiert sich für Grenzen, vor allem, um ihre Überschreitung produktiv werden zu lassen. In den 90ern hat der zu den „eigenwilligsten und ausdrucksstärksten europäischen Pianisten“ (Jazzpodium) gezählte Lüdemann mit seinen durch zwei Reisen inspirierten „African Variations“ aufhorchen lassen. Jetzt beginnt er mit „between the keys“, das er morgen in seinem Geburtsstadtteil Harburg aufführt, bevor er eine Gastprofessur in den USA annimmt, die Grenzen seines Instruments selbst aufzulösen. Durch subtile elektronische Erweiterung des Konzertflügels wird dieser zu einem mikrotonalen und multitimbralen Instrument, das die „Musik hinter den Tasten“ respektive den „Klang hinter den Tönen“ hörbar macht. Das Ergebnis ist mal lyrisch, mal expressiv, dann wieder ganz kontemplative Introspektion. Und lässt ahnen, was hinter all den Sicherheiten noch an faszinierenden, nicht nur musikalischen Räumen zu erkunden bleibt. Fr, 13. 3., 21 Uhr, Jazzclub im Stellwerk, Bahnhof Harburg (über den Fernbahngleisen), Hannoversche Straße 85 Auch beim Radio-Gagarin-Konzert werden neue Grenzen von Instrumenten ausgelotet. Zu hören ist das Berliner Duo Activity Center mit dem Perkussionisten Burkhard Beins und dem Gitarristen Michael Renkel mit Tisch-Perkussion, selbst gebasteltem „Stringboard“ und allerhand elektronischen Erweiterungen und Verfremdungen. Dazu gibt’s das Duo Fire & Ignorance und die Hamburger Helgoland. Sa, 14. 3., 21 Uhr, Rote Flora, Schulterblatt 71 ROBERT MATTHIES