piwik no script img

Archiv-Artikel

soundtrack

Jetzt bricht die letzte Woche vor Ostern an – das bedeutet wohl: Schluss mit Fasten! Alle Energiefelder auf doll gestellt und raus an die Sonne. Und was kommt da besser, als die Musik von Sun Ra persönlich? Rocket Nr. 9 geben heute Abend wieder eines ihrer interstellaren Konzertevents – diesmal auf der komfortablen Bühne des Harburger Stellwerks – also mit ausreichend Platz für die sieben Musiker (zum ersten Mal dabei: der Trompeter Thomas Burhorn), ihre Space-Wear und die Landevorbereitungen für die Spirits von Sun Ra, Miles Davis, „Tortoise“, „Can“, Alice Coltrane, Kate Bush und Pharoah Sanders .

Während Sun Ra seinen Abflug in Future und Space auf hunderten Platten bei Kleinstlabels startete (und deshalb bis in die 1990er ein Geheimtipp blieb), propagierten Kollegen wie Ornette Coleman, Cecil Taylor und nicht zuletzt Don Cherry erfolgreich den Free Jazz. Der Vibraphonist Karl Berger und seine Friends (u. a. Mark Helias am Bass und Bob Stewart an der Tuba) waren ebenfalls in dieser Szene unterwegs und feiern ganz authentisch „in the Spirit of Don Cherry“ – Cherry ist für Berger das „musikalische Gedächtnis der Welt“ – eine Konzert-Party. Schließlich wird Berger am Freitag 72 Jahre alt.

Vom Free Jazz zur modernen komponierten Musik ist es manchmal nur ein kurzer Weg. Klingt eh alles gleich, sagt der Mann auf der Straße. Der Komponist Gene Coleman lernte das Improvisieren u. a. bei Anthony Braxton, von Henry Threadgill und dem „Art Ensemble of Chicago“, begeistert sich aber auch für die kaputten Klänge des Schwaben Hellmut Lachenmann. Im März war er Stipendiat des Fleetinsel-Gästeateliers und hat an neuer Musik für Bassklarinette und Celli gearbeitet, die er im Westwerk – neben Musik von Rolf Julius und, eben, Lachenmann – zur Weltpremiere bringen wird. Einer der Höhepunkte im „Blurred Edges“–Festival (die taz nord berichtete), die zu verpassen man sich ewig ärgern wird.

Die Zeit meldet online lapidar, dass der Berliner Jakob Grunert „heute Hamburg“ als Wohnort gewählt hat. Mehr Aufsehen um den 27-Jährigen würde ja auch das hanseatische Understatement stören, das gerade noch verhindert, dass wir uns verwundert die Augen (und die Ohren) reiben über den hiphopig/jazzigen Metropolen-Mix – dessen Sample-Material zum Teil original aus den U-Bahn-Schächten von NYC stammt. Egal – kommenden Dienstag stellt Grunert im Pudel sein neues Album „Construction Kit“ vor und wer daran glaubt, dass urbanes Großstadtfeeling auch in Hamburg möglich sein muss, soll sich bitte einfinden. Zum Eier-Verstecken bleibt danach noch genug Zeit. TOBIAS RICHTSTEIG Rocket Nr.9: Do, 29. 3., 21 Uhr, Stellwerk im Harburger Bahnhof Karl Berger: Fr, 30. 3., 20 Uhr, Rolf-Liebermann-Studio, Oberstr. 120 Gene Coleman: Sa, 31. 3., 21 Uhr, Westwerk Grunert: Di, 3. 4., 22 Uhr, Golden Pudel Club