soundcheck :
Gehört: „Let the music play“-Solidaritätskonzert gegen Rechtspopulismus mit Mikron 64, Kante und Tigerbeat im Schlachthof. In manchen Momenten ist ein Abend voller Popmusik, wie die Band Kante es im Schlachthof besang, „mehr als die Summe der einzelnen Teile“. Dann versöhnt sich der Genius mit der Revolutionärin, die Denkerpose mit dem Tanzen, die Stars sind eins mit dem Publikum und über allem weht etwas von Bewegung. Worte wie „Solidarität“ und „Bambule“ liegen in der Luft, und die versammelte Rock‘n‘Roll-Jugend ist zuversichtlich.
In allem widerspruchslos, auch in Teilen begeistert, lauschte der proppenvolle Saal zuerst dem Gefiepse des Mikron 64. Ob Marcus, so der Name des Alleinunterhalters hinter dieser Computerkryptologie, mit seinen Slogans „Bahnfahren billiger machen“ oder „Vorwärts“ wirklich verstanden wurde, sei dahingestellt. Ein mindestens origineller Opener. Richtig glücklich wurde die Menge aber erst, als die ersten E-Gitarren brummten und mit Kante der Rock ins Spiel kam.
Sänger Peter Thiessen gab optisch den jungen Rio Reiser, die Instrumente waren wohlgestimmt, wenn nicht temperiert. Bedächtig zeichnete der Fünfer seine Songs, baute Melodien und Rhythmen aneinander auf, knüpfte rockig-soulig-jazzig-poppig-bluesige Soundteppiche. Kante spielten keine Lieder, sie malten sie. Thiessen forderte, dass „man sich auf die ruhigen Songs mehr einlassen“ möge und fand „einen Biertresen im Konzertraum ein Problem“. Kante – demnächst nur noch in Ihrem Goethe-Institut?
Das Publikum tauschte nun den Denkerblick gegen die grinsende Punkbeatfratze, und von der Bühne tropfte Streetfighter-Appeal: Tigerbeat fauchten los. Wo eben noch Siebenachtel-Takt und der Subdominantakkord erklungen waren, standen jetzt vier rollende „Sexrocker“. Das Publikum wurde in die Gruppen „Krawalltouristen“ und „Terrorchaoten“ eingeteilt, eine durchnässte Mütze auf offener Bühne verlost; ein kurzes „Eins, zwei, drei, vier“ reichte, der Saal tanzte und alle waren glücklich.
MARKUS FLOHR