soundcheck :
Gehört: Enrico Rava und Chris Potter, Rolf-Liebermann-Studio. „Ausverkauft“ stand am Freitag an den Eingangspforten. Da machten die zu spät Gekommenen lange Gesichter. Und sie verpassten eins der besten Jazzkonzerte der vergangenen Monate. Eröffnet wurde das Doppelprogramm von Trompeter Enrico Rava, der das Publikum von Anfang an in seinen Bann schlug. Sehr entspannt, dabei aber hoch konzentriert ging der Mittsechziger zusammen mit seinem Partner, dem halb so alten Pianisten Stefano Bollani, zu Werke. Beider Zusammenspiel bestach dabei in jedem Moment. Aufmerksam folgten sie einander in den Improvisationen, Unisono-Parts kamen wie aus einem Guss, und das Fehlen einer Rhythmusgruppe machte sich nicht eine Sekunde lang bemerkbar. Bollani beeindruckte mit funky Pianospiel, dessen jazziger Puls stets zu spüren war – selbst in klassisch anmutenden Passagen oder auch mediterran klingenden Eigenkompositionen. Darüber legte Rava seine geschmackvollen, in ihrer Melancholie immer wieder an Chet Baker gemahnenden Melodiebögen. Ein rundum begeistertes Publikum entließ die beiden dann auch erst nach einer Zugabe in die Pause.
Danach betrat das Chris Potter Quartett die Bühne. Und sein Ungestüm schien zunächst mit der entspannten Erwartung des Publikums zu kollidieren. Nervös, energisch und laut kam die Musik der New Yorker daher, ein jazzig-abstrakter Großstadt-Sound. Ruhige Momente gab es später zwar auch, dann griff Tenorist Potter meist zum süßlichen Sopran. Überwiegend spielten die Vier aber auf höchstem Niveau flinken State-of-the-Art-US-Jazz. Nicht immer klar war dabei, ob Potter mit seiner Virtuosität mangelnden Soul übertüncht. Eins indes war unstrittig: these guys are burning. GERD BAUDER