silke burmester : Die Journalistin als heiße Kartoffel
Auf der verzweifelten Suche nach einem unaufrichtigen SPD-Politiker vom Kaliber Roland Kochs
Keine gute Nachricht heute. Statt dessen ein Einblick, der zeigt, dass die Umsetzung der Agenda 2010 ein Witz ist, gegen die Aufgaben, die Schröder innerhalb seines Kompetenzteams zu lösen hat.
Für eine Geschichte brauchte ich einen unaufrichtigen Politiker, der ein Abgeordnetenbüro in Berlin hat. Klingt blöd, war aber so. Roland Koch war mir schon eingefallen, die FDP saß auch mit im Boot, also wäre einer von der SPD ganz günstig. Bei der Überlegung, auf wen das Profil passt, fielen mir zwar lauter Tölpel ein, nicht aber jemand vom Kaliber Kochs. Also dort fragen, wo man es wissen muss.
Ich lasse mir von der Telefonauskunft die Nummer der Bundesfraktion der SPD geben. Ich rufe an, verlange die Pressestelle und werde durchgestellt. Ich nenne meinen Namen, sage, ich sei Journalistin, und trage mein Anliegen vor: „Ich bin auf der Suche nach einem unaufrichtigen Politiker Ihrer Fraktion.“ Gleich weiterreden denke ich, keine Gelegenheit geben, zu sagen, so etwas hätte die SPD nicht. „So jemand, wie Roland Koch. Jemand, bei dem man weiß, dass er Dreck am Stecken hat, der aber so tut, als wenn nichts wäre. Ich brauche jemanden von der SPD, aber mir fällt keiner ein.“
Bingo, Burmester, dumme Nuss, die Vorlage wird sofort verwandelt: „So einen gibt es hier auch nicht. Aber fragen Sie doch mal im Bundestag.“ Es stellt sich heraus, dass man mich zum Berliner Landtag vermittelt hat. „Das kommt öfter vor“, beruhigt mich die Dame: „Warten Sie, ich guck, wo ich die Nummer des Bundestags habe.“ Mein Telefon zeigt 1:34. Bei der Zahl 2:05 hält sie den Hörer zu und fragt einen Kollegen, wo denn die Nummer vom Bundestag sei. Bei 2:32 hat sie sie.
Wieder ein Anruf bei der Pressestelle. Diesmal bin ich klüger, öffne keinen Fluchtweg. Es klappt. Ich spüre, die nette Dame weiß sofort, was ich meine. Roland Koch und Unaufrichtigkeit, das ist ein Wortpaar, da hat jeder ein Bild vor Augen. Sie zögert einen Moment. Dann wird sie ganz schnell. Da müsste ich jemand anderen fragen. Ich merke, ich bin die heiße Kartoffel. Jeder will mich so schnell wie möglich loswerden. Drei Nummern schleudert sie mir entgegen. Ich fühle mich wie ein Hund, dem Würstchen hingeworfen werden, um in der Zwischenzeit schnell vorbeilaufen zu können. Sie ist froh, mich loszuwerden. „Im Moment aber“, da ist sie sicher, „sind die alle in einer Besprechung.“