serie: Geraubte Milliarden
„Die Affäre Cum-Ex“ entwirrt einen der größten Skandale der europäischen Geschichte

Am Anfang erklärt Steuerfachanwalt Bernd Hausner (Justus von Dohnányi) das Vorgehen anhand einer Pfandflasche: Er spricht mit süffisanter Arroganz davon, wie man den Automaten dazu bringt, einem das Pfand mehrfach auszuzahlen – und somit Gewinn macht. So will Hausner seinen Zuhörern die systematische, überaus lukrative künstliche Verwirrung Aktieneigentümern schmackhaft machen. Die wurde später als „Cum-Ex-Skandal“ bekannt.
Durch das schnelle Verschieben von Wertpapieren zwischen mehreren Beteiligten konnten Staaten nicht mehr feststellen, wer tatsächlich Steuern gezahlt hatte, und erstattete sie mehrfach – obwohl sie nur einmal abgeführt wurden. Banken, Anleger und Anwälte haben die europäischen Steuerbehörden so um nahezu 150 Milliarden Euro geprellt – beziehungsweise jeden einzelnen EU-Bürger, vom Kleinkind bis zum Rentner, um 326 Euro.
Das Gros der Figuren basiert auf realen Vorlagen. So auch Hausner, der die Betrugsmasche 2005 in seiner Kanzlei (fälschlich) als „absolut legal“ anpreist und zusammen mit Sven Lebert (Nils Strunk) zum Duo infernale des wahrscheinlich größten Steuerraubs der europäischen Geschichte aufsteigt. „Die Affäre Cum-Ex“ hat es allerdings nicht nur auf die Erklärung eines (überaus umfangreichen) Einzelfalls abgesehen. Die Serie will empören, wachrütteln und auf bis heute überdauernde Probleme aufmerksam machen: Darauf, dass der Markt sehr wohl die begünstigt, die bereits über Macht und Mittel verfügen – und staatliche Kontrollmechanismen gerade bei den ganz großen Fischen versagen. Dafür werden Nebenfiguren in Stellung gebracht: Ein Handwerker (Thorsten Merten) verliert sein sauer Erspartes; zwei dänische Finanzbeamte (Karen-Lise Mynster und David Dencik) kommen dem Steuerdiebstahl auf die Schliche, finden aber beim Vorgesetzten kein Gehör.
Wovon „Die Affäre Cum-Ex“ erzählt, ist von enormer gesellschaftlicher Dringlichkeit – die Serie selbst entwickelt eine solche aber leider nicht. Dafür ist sie zu sehr routinierte, zähe TV-Thriller-Inszenierung mit belanglosen Nebenschauplätzen.
Arabella Wintermayr
„Die Affäre Cum-Ex“, 8 Folgen, ab Samstag in der ZDF-Mediathek
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