seltsame botschaften : Wie Frau Böhmer den Schulen hilft
Maria Böhmer will die Botschafter verschiedener Staaten bitten, sich mehr um die schulische Bildung jener Kinder zu kümmern, deren Eltern aus den jeweiligen Ländern nach Deutschland eingewandert sind. Das hatte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Mitte vergangener Woche verkündet. Auslöser dieser – vorsichtig ausgedrückt: überraschenden – Idee war ein Schreiben, in dem SchulleiterInnen aus dem Bezirk Mitte die Probleme ihrer Schulen beklagt hatten. Böhmer hatte die RektorInnen daraufhin zu einem Gespräch ins Kanzleramt, ihren Amtssitz eingeladen. Auch dies wiederum zur einigermaßen großen Überraschung anderer Integrationsfachleute wie etwa Berlins Landesbeauftragtem Günter Piening. Der hatte eine Teilnahme an dem Treffen mit der Begründung abgelehnt, das Ganze sei doch eher ein bildungspolitisches Problem – und Böhmers Einladung schlicht und einfach Show.
Nun setzt Böhmer, zu deren Aufgaben es laut ihrer Website gehört, „Ungleichbehandlungen von Ausländerinnen und Ausländern entgegenzuwirken“, ihre Idee in die Tat um. Sie bittet die diplomatischen VertreterInnen der Regierungen anderer Länder um Hilfe bei der Lösung der Probleme der Schulen in Mitte. Und sie fängt mit Italien an.
Das liegt weniger daran, dass gerade SchülerInnen italienischer Herkunft an Schulen in Wedding und Tiergarten die großen Problemkinder sind, als vielmehr daran, dass ein Zusammentreffen zwischen Frau Böhmer und dem italienischen Botschafter auf einer Veranstaltung im baden-württembergischen Ludwigsburg ohnehin geplant war, erklärt ihr Sprecher Oliver Mohr. Sie werde aber auch alle weiteren „relevanten Botschafter“ treffen, fügt er hinzu: „Natürlich den türkischen“. Auch die Botschafter Spaniens und Portugals stünden auf der Liste.
Tatsächlich haben Einwandererkinder italienischer Herkunft in südlichen Bundesländern Bildungsdefizite. In Berlin aber stellen die ItalienerInnen mit 14.446 (2007) von knapp 500.000 Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit eine sehr kleine Minderheit dar. Aus Spanien leben 6.600 Menschen hier, aus Portugal knapp 2.800. Dagegen fast 8.000 Österreicher und 4.000 Niederländer.
Den türkischen Botschafter anzusprechen leuchtet da schon eher ein: Immerhin knapp 114.000 türkische Staatsbürger leben in Berlin. Man darf sogar vermuten, dass der Botschafter der Türkei sich freut, wenn die Bundesbeauftragte bei ihm klingelt. Die Republik Türkei vertritt nämlich ein ganz ähnliches Integrationsverständnis wie Frau Böhmer. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat bereits bei seinem letzten Deutschlandbesuch vorgeschlagen, türkische Lehrer an deutsche Schulen zu entsenden. „Was für die Integration getan werden soll, muss getan werden“, so Erdogans Prämisse.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat damals allerdings wenig begeistert auf diesen Vorschlag reagiert. Dass ihre Integrationsbeauftragte jetzt einen ähnlichen Vorschlag macht, wenn sie die Botschafter um Hilfe bittet, ist für Böhmers Sprecher Mohr kein Widerspruch. Die Botschafter seien, findet Mohr, ja nicht nur RepräsentantInnen ausländischer Regierungen, sondern auch der Einwanderercommunitys hier.
Die meisten SchülerInnen nichtdeutscher Herkunft in Mitte dürften allerdings sowieso längst deutsche Staatsbürger sein – Einwandererkinder eben. Für die wäre dann Böhmers Logik zufolge die Bundeskanzlerin selbst zuständig. Ach, aber nein, die hat ja dafür eine Beauftragte: Maria Böhmer.
ALKE WIERTH