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Archiv-Artikel

schurians runde welten Rehabilitierter Friedensrichter

„Ich habe zum Mittagessen nur ein Bier und einen Schnaps getrunken. Wir sind doch Männer und trinken keine Fanta.“

(Wolf-Dieter Ahlenfelder)

Vor ein paar Jahren besuchte ich Wolf-Dieter Ahlenfelder im Nordwesten des Ruhrgebiets. Gestern wurde er sechzig. Er trank Bier und ich hörte eine bittersüße Geschichte vom Scheitern.

In den Achtzigern verkörperte Ahlenfelder eine anarchistische Fußballvision: Der Pfeifenmann jappste gestenreich über den Platz im Zwiegespräch mit den Spielern. Das Fußball-Regelwerk legte Ahlenfelder aus wie ein Friedensrichter: Er sah sich lieber als Dirigent, als Gegenentwurf zu den Regelhütern, die am liebsten unscheinbar bleiben. Dass Ahlenfelder dabei auch mal eine Halbzeit nach dreißig Minuten abpfiff, machte ihn zur Legende. Bis heute schwört er, dabei nicht betrunken gewesen zu sein. Weil er auch sonst gegen Regelwut anpfiff, hatte er es schwer mit dem DFB, kam aber doch auf 106 Einsätze in der Bundesliga.

Im Flur seines Dachstuhls ein Foto: Der kleine Ahlenfelder steht Nasenspitze an Nasenspitze mit Toni Schumacher. Heute gibt es ähnliche Bilder nur vom Italiener Collina. Mit umgekehrten Rollen: Wie der fiese Toon aus Roger Rabbitt demütigt er Fußballer wie erwischte Pennäler.

Friedensrichter Marke Ahlenfelder war seiner Zeit voraus, bis heute sind die Fußballtechnokraten nicht abgetreten. Was ihm niemand nehmen kann, sind 106 Spiele – auf Collagen geistert die Zahl durch sein Heim. Im Treppenhaus habe ich ihn gefragt. „Da freuen sie sich sicher über Ihre Adresse?“ Ahlenfelder zuckte mit den Schultern. – „Na, die Ringstraße 106!“ – „Na und?“ - „106 Bundesligaspiele, Hausnummer 106.“ – „Nein, das ist mir noch gar nicht aufgefallen!“

15.2. Osterfeld - Freialdenhoven

Ich weiss nicht, ob Ahlenfelder die Spiele von Adler Osterfeld in der Nachbarschaft besucht. Er träfe beim Oberligisten auf Seelenverwandtschaft: Mittelfeldspieler Irfan Durdu ist angehender Jurist und Gründungsmitglied des „KC 1516 – Wir kegeln für die Reinheit des deutschen Bieres“. Im Internet haben die Kegelbrüder einiges Nützliches angehäuft. So auch den Promillerechner. Ich habe mal Ahlenfelders Daten vor der verfrüht beendeten Halbzeit zwischen Bremen und Hannover eingegeben. Tatsächlich hat Ahlenfelder recht: Ein großes Bier samt Schnaps macht maximal 0,37 Promille. Voll rehabilitiert.CHRISTOPH SCHURIAN