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Archiv-Artikel

schurians runde welten Es gibt kein Rehhagel

„Der Name Otto bürgt für Qualität. das weiß doch jeder.“ (Otto Schily)

Otto Rehhagel wird nie und nimmer Bundestrainer – das ist sicher. Selbst wenn er es wollte und Griechenland ihn ließe, auch wenn das DFB-Präsidium nicht auf Zeit spielt und die heimischen Journalisten ihn endlich knuddeln und lieb haben. Denn Rehhagel gibt es gar nicht, er ist ein Kunstprodukt, eine Kaffee-hausgeburt, ein Künstlername. Mindestens.

Eigentlich heißt Rehhagel nicht Rehhagel, sondern – viel schöner – Rehagel. Mit nur einem H. Wie die ganze Verwandtschaft. Aber weil der einstige Bundesligaprofi litt wie ein Hund, wenn ihn die Presse wieder falsch geschrieben hat und am Telefon endlich sagen wollte: „Ja, Rehhagel wie Reh und Hagel“, machte er seine ganz private Rechtschreibreform, schrieb sich fortan mit Doppel-H – erfand sich komplett neu. Hoffentlich war er es selbst.

Mich gruselt der Altenessener Fußballlehrer – schon immer. Denke an Dorian Gray, an Faust. Rehhagel bleibt zu jung, zu erfolgreich, zu eitel. Es muss diese eine Begegnung gegeben haben, irgendwann nach dem 34. Spieltag; Ende April 1978. Ein geläuterter Trainer saß da in der Essener Innenstadt, wie stets etwas abseits, im Café Overbeck und las die Sportpresse. Schmerzhafte Schlagzeilen erwischten ihn wie ein Kugelhagel.

Plötzlich huschte ein Männchen an seinen Tisch. Ließ sich nieder. Otto grummelte, verkroch sich noch tiefer in dem Papierberg. Doch der Kleine flüsterte: „Torhagel, das tut weh, nicht?“ Rehagel versuchte ihn zu ignorieren und setzte seinen Fernwehblick auf, erhob sich, er müsse jetzt zu seiner Mannschaft. „Deine Mannschaft, ha!“, das winzige Blassgesicht lachte auf, „welche Mannschaft? Du bist ein Gescheiterter, ein Minusrekordtrainer, hast alles versaut, erst in Offenbach, dann in Bremen, jetzt in Dortmund.“ Zuletzt zwölf Gegentore im Rheinstadion gegen Mönchengladbach.

Rehagel stürmte aus seinem Stammlokal, nur weg von dem kleinen Bösnickel. Die ruhelose Flucht führte ihn nach Bielefeld. Doch unverhofft lauerte ihm auch hier der kleine Mann wieder auf, beleidigte ihn erst, und flüsterte dann von einem schönen Leben, von Erfolgen, Triumphen, der Weltherrschaft. Ein Jahr hielt Rehagel den Verlockungen stand, dann gab er den Widerstand auf. Externsteine, Ostwestfalen, eine denkwürdige Nacht, ein Schwur im Schwefeldampf. Und ein neuer Name, wenn schon Hagel, dann sollte es Titel hageln. In Düsseldorf, Bremen, in Lautern, in Griechenland.

11.7. Essen - Bayern München (A)

Der deutsche Faust lässt Griechen schwärmen. Unterhalb der Villa Hügel errichtet Gastwirt Christos Kokkinidis eine Marmorstatue des jubelnden Rehhagels. Doch auch Rehhagel muss den Preis für den Ruhm entrichten.

Im Auto neben ihm sitzt immer noch Beate, sie weiß von nichts, kutschiert ihn, torpediert die Freisprechanlage. Rehhagel ist erschöpft, stiert seinen Fernwehblick. Der einsame Triumphator sehnt sich nach seinen Wurzeln. Nach Misserfolg und harter Arbeit: Rot-Weiß-Essen.

Immer noch in Bad Zwischenahn. Am Sonntag gegen die Amateure von Bayern München, die Truppe von Herrmann Gerland. Und Rehhagel freut sich schon auf den 30. Juli, zurück an der Hafenstraße, auf der Tribüne Jubelstürme und dazu OFI Kreta. CHRISTOPH SCHURIAN