schurians runde welten : Das Mausoleum des Fußballs
„Die Mannschaft wächst. Ich werde alle wichtigen Spiele im Fernsehen verfolgen.“ (Benedikt XVI.)
‚Deutschland 2006‘ darf ich schreiben, ‚Germany 2006‘ nicht. Der Begriff gehört dem Weltfußball, der Fifa, und ich riskiere eine Konventionalstrafe. Aber das ist mir egal, einem Prozess sehe ich mit Gelassenheit entgegen. Habe nämlich vor, den Laden aus Zürich meinerseits zu verklagen. Wofür es viele gute Gründe gibt – wie Blasiertheit und Profitgier – und einen sehr guten: Im Gropius-Bau zu Berlin eröffnete vergangene Woche die offizielle Kunstausstellung zur Weltmeisterschaft mit dem Titel „Rundlederwelten“. Und wie heißt diese Kolumne? Eben.
Beim Urheberrecht geht es wie beim Entdecken von Erdteilen oder Bakterien um die Frage, wer war zuerst da. Und da hat die vom seligen Kuratoren Harald Szeemann zusammen gestellte Schau der 74 Künstler keine Chance gegen mich: Diese Kolumne gibt es seit sieben Jahren und einem Monat und damit lange bevor Deutschland und nicht Südafrika die Fußballweltmeisterschaft 2006 zugeschlagen bekam, wofür ja ein von der Titanic gestifteter Geschenkkorb mit Wurstwaren mindestens so wichtig war wie der Fußballbotschafter Franz Beckenbauer. Und auch das ist so wahr wie es im Fieberwahn vor der WM im eigenen Land vergessen wurde.
Doch nun gibt es für solche Unaufmerksamkeiten kein Pardon mehr: Die Berliner Ausstellung muss definitiv umbenannt werden – das mit dem ‚Leder‘ ist nur ein durchsichtiger Ablenkungsversuch. Die Sportkunstmacher wollen aus dem Weltruf dieser Zeilen einen Profit schlagen, was ich zu verhindern weiß. Zumindest wird die widerrechtliche Aneignung eine hübsche Stange Geld kosten.
Zustimmung ist mir sowieso sicher. Ich kenne eine Hundertschaft von Stadtoberen, die sich diebisch freuen, wenn die Fifa mit eigenen Waffen geschlagen würde. Mit dem Weltfußball geht es ihnen wie nach dem Narrensturm im Rathaus – selbst gewichtigste Oberbürgermeister dürfen in den WM-Wochen nicht einmal mehr entscheiden, ob eine Videoleinwand für Fußball aufgestellt wird. Die neuste WM-Kapriole erinnert gar an Potemkin, Sozialismus und andere geschönte Wirklichkeiten.
Die Fifa hat so genannte „Fifa-Protokollstraßen“ benannt, das sind die Routen, die von den offiziellen Fifa-Hotels zu den offiziellen Fifa-Austragungsstadien führen und also vom Tross der offiziellen Fifa-Funktionäre befahren werden sollen. Vorgeschrieben sind einheitliche Beflaggung, gesäuberte Fassaden und Bürgersteige, Passanten mit Winkelementen. Fehlt nur noch ein Weltfußballmausoleum und die Parade des Ehrenamtes. Wir sehen uns vor Gericht.
Fotohinweis: CHRISTOPH SCHURIAN (38) ist Redaktionsleiter der taz-nrw und gegen Ballbesitz. Als Freizeitliga-Stürmer hat er seit einem Jahr nicht mehr getroffen