schurians runde welten : Der schnelle, harte Schunkelkontakt
„Die Bayern besitzen eine ganz besondere Ausstrahlung und ein ganz hohes Selbstwertgefühl“. (Mirko Slomka)
Wenn Nordrhein-Westfalen feiern, riecht es nach Brauerei und Sir Irish Moos. Bärtige Pensionäre in ausgebleichten Autofahrerhosen trinken Bier aus winzigen Gläsern. Ihre brünetten Frauen werfen dazu den Kopf in den Nacken, damit der Hals keine Falten wirft. Sie alle suchen nur das eine, den schnellen harten Schunkelkontakt. Wenn Nordrhein-Westfalen feiern, verlegen sie ihre Partykeller in die Fußgängerzone. Sie schluchzen zu Stimmungsliedern und lachen über Unterhaltungskünstler, von denen es hier deshalb so viele gibt, weil zwischen November und Februar jede schlüpfrige Zoten mit Gold aufgewogen wird.
Wenn Nordrhein-Westfalen 60. Geburtstag hat, feiert ein bräsiges Land seine Frühverrentung und der einzige tröstende Gedanke ist der ans Auswandern, an ein Leben ohne Bierseele, ohne Christine Westermann, ohne den Fluss mit Überbreite. Ein Dasein ohne Sänger in Lederjeans, ohne Gemeinsinn, der stets von denen beschwört wird, die um ihre finsteren Geschäfte bangen – zu befürchten haben sie an Rhein und Ruhr freilich nichts, denn das kollektive Gedächtnis Nordrhein-Westfalens ist so gut wie ausgelöscht. Ohne WDR-Archiv wäre schon alles vergessen, aber auch so wird sich an kaum etwas erinnert, außer weiße Wale im Rhein, Kaimane im See und eine Pistole im Mund. Dazu wird immer Fußball gespielt, Fußball bequatscht von klapprigen Gebrauchtwagenhändlern, die vor Scham ihre Sonnenbrille nicht mehr abnehmen.
Sie haben es gemerkt, die Fernsehgala zum 60. Geburtstag von NRW war ein Knaller; fast so jut wie „Jeck auf WDR“. Das Allerbeste zum Schluss: Eine Hymne, so peinlich, dass sich selbst betrunkene Schalker im Pokalrausch weigern würden; so mussten wehrlose Kinderchöre ran. Nicht für zehn Pfennig wurde sich Mühe gegeben. Auf Land reimt sich verbrannt, Hand, Verstand. Auf Glück, genau: Stück und zurück. Kurzum, wenn Nordrhein-Westfalen unbedingt feiern muss, sollte man besser schon etwas vorhaben.
25.8. Schalke – Bremen
Auch wenn der Fußball zur regionalen Stimmungssauce dazu gehört, er geht auch als lässiges Groundspotting, als nüchterne Beobachtung eines Geländespiels. Besonders auf Schalke, hier ist zwischen Spielfeld und den meisten Sitzen genug Abstand. Und das Spiel gegen Bremen verspricht immerhin nicht weniger als den wohl besten zeitgenössischen Bundesligafußball. Auch das brünstige, kitschige, aber wenigstens echte Geschichte atmende Schalker Liedgut wirkt Wunder gegen NRW und andere Kater. CHRISTOPH SCHURIAN