schurians runde welten : Sportfreunde, stiller!
„Wir werden uns mit Herz und Verstand darum bemühen, dass wir zueinander kommen.“ (Papst)
Der Soundtrack des Sommers klang mal nach „corazon“, also irgendwie romanisch. Als ich jünger war, dachte ich, die Südländer singen von Hoden, bis ich merkte, das eine sind „cojones“, das andere das Herz. In diesem Sommer gibt es nun keine Übersetzungsschwierigkeiten mehr. Herz heißt Herz. Und Schuld hat eine Popperband aus München.
Ich mochte Popper seinerzeit lieber als Punks. Ihre Pullis waren weicher, sie fuhren Motorroller, tranken Kaffee, schwärmten von Italien. Das einzige Problem: Sie bekamen gut aufs Maul. Als ich vor ein paar Tagen einen Ostheopaten aufsuchte – was ich hiermit empfehlen möchte – ertastete der in meinem Gesicht eine Unwucht, die von einem früheren Stoß herrühre.
Augenblicklich sah ich mich wieder allein in dieser Straßenbahn: Karottenhose, cremefarbener Kaschmirpulli, Erkältung. Zwei jugendliche Fußballanhänger suchten Streit und fanden mich – das zufällige Aufeinandertreffen endete für alle Beteiligten eher unbefriedigend.
Als ich ausstieg, folgten sie mir, knufften mich, beleidigten meine Kleidung, meinen Fußballverstand: „Die Bayern werden wieder Meister, ne?“ – „Von mir aus.“ – „Nichts von mir aus! Die Bayern sind doch scheiße!“ – „Meinetwegen.“ – „Du Vollspast!“ – „Na und“. Dazu lief mir die Nase, ich war schwer krank, ich bat darum, in Frieden gelassen zu werden. Es dauerte eine Fußgängerzone lang. Schließlich schlug mir der Wortführer ansatzlos seine Faust ins Gesicht. Zwar war seine Rauflust längst verflogen, aber er wollte die immer peinlicher werdende Situation endlich beenden. Sie verabschiedeten sich dann recht freundlich von mir und ich habe wieder Jeans angezogen.
Den bayrischen Trainingsjacken würde ich auch gerne mal ins Gesicht hauen. Sie haben mit ihrem Fußballsommerhit (54 ff.) die Hirne vergiftet. Und Jahreszahlenmystik hasse ich genauso wie uninspirierte Stanzen: Mit dem Herz in der Hand, Leidenschaft im Bein. Auf jeden Fall sollten die Bazipopper mal dringend zum Ostheopathen.
16.9. Aachen – Gladbach
Wären die Sportfreunde Stiller aus Aachen, was würden sie sich darauf zusammen reimen? Michael Frontzeck stammt aus Mönchengladbach, begann und beendete dort die Laufbahn als Bundesligaspieler. Jetzt – vor dem seit Jahrzehnten ersehnten rheinischen Traditionsderby – wird er Trainer der Alemannia. Noch bizarrer: Vor einem Jahr war Frontzeck Co-Trainer bei Hannover 96, dem Club, der den Schwarz-Gelben just das Trainerduo ausspannte. Und alle: Gladbach/ Hannover/ Aachen und zurück, Frontzeck bringt uns Glück.CHRISTOPH SCHURIAN