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Archiv-Artikel

sarah bsc Lieber rechnen als gaffen – noch

In den folgenden Zeilen werden Namen durch Buchstaben ersetzt. Dies geschieht aus zwei, nein, sogar aus drei Gründen. Als da wären: 1. zu viele Namen verwirren nur das eigentliche Geschehen; 2. macht es die Geschichte geheimnisvoller und 3. habe ich ein ungewöhnlich schlechtes Namensgedächtnis. Wer aber trotzdem nicht auf Nennung verzichten kann, möge die Entsprechungen in sämtlichen Tages- und Sportzeitungen suchen und selbst einsetzen.

Und jetzt geht’s los: An einem spätsommerlichen Spätnachmittag lag ich am Schlachtensee und führte dort meinen neuen, leider viel zu spät gekauften Bikini vor. Es war nicht besonders voll, sodass ich die Wirkung der Badekleidung schlecht einschätzen konnte. Doch dann nahte Rettung. Wenige Meter neben mir schlugen vier jugendliche Jungs ihre Decken auf. Jetzt könnte ich gleich sehen, ob die Farbe mir wirklich gut steht, die Form so vorteilhaft wirkt wie im Ladenspiegel und ob ich überhaupt noch in dem Alter bin, die Blicke auf mich zu ziehen.

Doch die Jungen hatten keinen Sinn für Schönheit, blickten nicht mal zu den jungen Mädchen, die etwas weiter weg lagen, geschweige denn zu mir. Die vier hatten Besseres zu tun. Sie spielten Dieter Hoeneß. „Also, A hat 1,2 Millionen gekostet, und wenn C noch dazukommt, sind 2,8 ausgegeben.“ – „Ach C, wer will den schon? Ich nehme lieber B, der ist billiger und viel besser.“ – „Nee, gar nicht. Der ist doch nur auf dem Markt, weil er in der letzten Saison völlig enttäuscht hat.“ – „Wir verkaufen einfach F, G und J, für die bekommen wir mindesten 5 Mille, und dann können wir uns X leisten.“ – „Was aber wirklich blöde wäre, ist, wenn wir K nicht bekommen. Dann geht unsere ganze Rechnung nicht auf.“

So ging es eine Weile hin und her, zwischendurch wurde angestrengt im Kopf addiert und subtrahiert, aktuelle Kauf- und Verkaufspreise einzelner Spieler memoriert, bis ihnen schließlich ein perfekter Kader zur Verfügung stand: „So kommt Hertha dieses Jahr mindestens auf den vierten Platz“, befanden die Jungs zufrieden.

Und ich kann sie nur weiterempfehlen. Falls Herr Hoeneß also ein paar junge Kaufexperten sucht: Einfach auf der Liegewiese am Schlachtensee, in der Nähe der Steintreppe, da liegen sie herum. Aber schnell zugreifen, denn spätestens im nächsten Jahr, wenn die Hormone in der Liga der Adoleszenten auf Platz eins stehen, werden diese vier nicht mehr so scharf rechnen und beurteilen können. Jedenfalls keine Fußballer. Vielleicht aber meinen Bikini – falls der im nächsten Sommer noch aktuell ist. SARAH SCHMIDT